Distanzierung von Luthers „Judenschriften“

Martin Luther und die Reformation werden 2017 groß gefeiert. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau setzt sich deshalb mit der Schattenseite von Luthers Wirken auseinander.

(epd-bild / Norbert Neetz)

Auf ihrer Herbstsynode im Frankfurter Dominikanerkloster hat sich die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) formal von den judenfeindlichen Spätschriften Martin Luthers distanziert. Die Haltung des Reformators zum zeitgenössischen Judentum des 16. Jahrhunderts sei nicht vereinbar mit dem heutigen Bekenntnis der EKHN, heißt es in einer Stellungnahme, die das Kirchenparlament am Freitag (21.11.14) in Frankfurt beschloss.

Synode fordert mehr Auseinandersetzung mit Haltung Luthers

„Eine Aufgabe des Papiers ist es sicherlich auch, dass es ein ganz offizielles Votum unserer Landeskirche gibt, die sich von diesen Äußerungen Luthers auch distanziert“, erklärte Renate Sandforth, Mitglied im Theologischen Ausschuss der EKHN-Synode. Der Beschluss der Synode stelle die zentrale Bedeutung Luthers für die Geschichte und Theologie des Protestantismus nicht infrage, teilte die EKHN mit. Aber Luthers Verhältnis zum Judentum sei keine marginale Größe in seinem Denken und Wirken. Fatalerweise habe der spätere völkische Antijudaismus seine Schriften aufgegriffen. Der Mainzer Professor für Kirchengeschichte, Dr. Wolfgang Breul, erläuterte vor der Landessynode, dass die Nationalsozialisten auch Texte des Reformators bei den Pogromen am 9. November 1938 als Rechtfertigung eingesetzt hätten. Noch in den Nürnbergern Kriegsverbrecherprozessen berief sich Julius Streicher, der Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, auf Luther als Gewährsmann der antisemitischen Propaganda. Schon alleine diese wechselvolle Rezeptionsgeschichte zeigt, dass sich die evangelischen Kirchen klar zu Luthers „Judenschriften“ positionieren müssen. Das erwartet auch Kirchenpräsident Volker Jung von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Zwar gebe es dort ein Papier des wissenschaftlichen Beirats zu dem Thema, aber „es wäre gut, wenn auch die EKD-Synode einen Grundsatz beschließt“, sagte Jung. Die Aussagen der sogenannten „Judenschriften“ Luthers stünden im Widerspruch zum 1991 erweiterten Grundartikel der Kirchenordnung der Landeskirche und der dort festgestellten „bleibenden Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen“.

Mitgestaltung von Reformationsprojekten

Auf dem Programm der dreitägigen Synode stand neben aktuellen Themen und der Debatte über den Haushalt auch das Reformationsjubiläum selbst. Das 500. Jubiläum der Reformation soll in Hessen und Nassau intensiv gestaltet werden. Dafür beschloss die Synode der EKHN am Freitag ein eigenes Projektbüro zu schaffen, das mit einem Finanzbetrag von drei Millionen Euro ausgestattet sein wird. Ab 2015 sollen damit Veranstaltungen und gesamtkirchliche Projekte sowie die Medienarbeit für das Reformationsjubiläum unterstützt werden. Neben einer Vielzahl von lokalen und regionalen Aktionen will man sich bis zum Jahr 2017 auch an mehreren überregionalen Aktionen beteiligen. Dazu zählen der „Stationenweg der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“, der Kirchentag im Mai 2017 in Berlin und Wittenberg sowie die Weltausstellung des Protestantismus in der Lutherstadt Wittenberg.