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Im Zug mit … Christian Düfel

Interview mit Pfarrer Christian Düfel auf der Zugfahrt von Regensburg nach Nürnberg.

(Pixabay (CC0 1.0))

Das Themenjahr „Reformation – Bild und Bibel“ hat in Nürnberg eine besondere Bedeutung. Die Stadt hatte als mittelalterliches Medienzentrum einen wesentlichen Anteil an der Verbreitung der Reformationsgedanken. Martin Luther selbst nannte Nürnberg daher das Aug' und Ohr Deutschlands. Mit kritischem Blick widmet sich die mittelfränkische Stadt in einer Vielzahl von Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskussionen dieser Zeit und geht auf die Bedeutung der Reformation als Medienereignis ein.

Auf dem Weg nach Nürnberg sprachen wir mit Christian Düfel, dem Projektkoordinator der Reformationsdekade und Luther 2017 in Bayern, über den Stolz der Stadt, dem verantwortungsvollen Umgang mit Bildern in einer digitalen Gesellschaft und dem Innehalten in einer getakteten Netzwelt.

Luther2017: Was fasziniert Sie persönlich an Martin Luther?

Christian Düfel: Martin Luther ist für mich in mehrerer Hinsicht eine faszinierende Gestalt. Zum einen war er ein herausragender Theologe, der die Bibel und Christus wieder ins Zentrum gerückt hat. Zum anderen finde ich Martin Luther eine sehr interessante Figur, da er viel angestoßen hat, was, direkt oder auch indirekt, Auswirkungen auf die europäische Kulturgeschichte hatte – sei es auf die Sprache, auf das Recht oder auf die Musik. Martin Luther ist eine Figur, in der sich sehr viel verdichtet. Eine große Persönlichkeit, sicher auch mit Schattenseiten – so seine unerträglichen späten Äußerungen zu den Juden – und sicher nicht der einzige Wichtige in der Reformationsgeschichte!

Wie schwierig ist es in einem überwiegend katholischen Bundesland wie Bayern die Menschen für das Reformationsjubiläum zu begeistern?

Düfel: Stopp! In Bayern gibt es nicht nur katholische Gegenden. Gerade in Franken oder in den freien Reichsstädten existieren lange protestantische Traditionen. Dort ist die Reformation sehr gegenwärtig. Aber auch in den heute noch katholisch geprägten Gebieten ist das Interesse am Reformationsjubiläum durchaus gegeben. Der evangelischen Bevölkerung kann es helfen, protestantischen Wurzeln in der Region nachzuspüren und evangelische Identität zu entdecken. Vielerorts besteht auch von katholischer Seite Interesse an der Reformation. Man sollte gemeinsam über die Reformation nachdenken, und das passiert bereits! Natürlich gibt es lokale Unterschiede in der Intensität der Vorbereitungen auf 2017. Aber ich denke, das wird auch in Bayern etwas Großes werden!

Medienzentren wie die Freie Reichsstadt Nürnberg trugen mit ihren Druckerpressen wesentlich zur Ausbreitung der Gedanken der Reformatoren bei. Unter dem Motto „Buch.Bild.Provokation“ widmet sich die Stadt Nürnberg ausführlich dieser Zeit. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher konkret?

Düfel: Das Themenjahr „Reformation – Bild und Bibel“, in dem die Reformation auch als Medienereignis gewürdigt werden soll, haben wir in Nürnberg zu unserem Schwerpunktjahr gemacht. Die Nürnberger sind stolz darauf, dass die Thesen, die Martin Luther 1517 veröffentlicht hat, sehr schnell ihren Weg hierher fanden, übersetzt, gedruckt und verbreitet wurden. Die mediale Revolution des 16. Jahrhunderts hat erst dazu beigetragen, dass sich die Reformation überhaupt ausbreiten und bekannt werden konnte. Das haben wir in Nürnberg zum Anlass genommen, um dieses Jahr ein sehr großes Programm aufzustellen. Die Besucherinnen und Besucher erwartet – neben besonderen Gottesdiensten und Bibelarbeiten – auch eine große Ausstellung im Fembohaus im Stadtmuseum zu dem Titel „Nürnberg – Auge und Ohr der Reformation“ oder das Museum Industriekultur wird eine Ausstellung zu Druck und Papier in Nürnberg machen. Das Germanische Museum beteiligt sich mit einer kleinen, feinen Ausstellung zu Lucas Cranach zwischen Venus und Luther und seinen Medien der Verführung. Dort wird auch ein Medienkonzil der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern stattfinden, auf dem die Auswirkungen der digitalen Welt auf den heutigen Menschen untersucht werden. Außerdem präsentiert sich im „SpielRaum Reformation“ die Lorenzkirche als neues Raumerlebnis ohne Bestuhlung und lädt in verschiedenen Veranstaltungen zu einem Perspektivenwechsel ein. Installationen, eine digitale Bibel und besondere Konzerte sind nur ein kleiner Ausschnitt. Es gibt dieses Jahr in Nürnberg also eine Vielzahl von Programmpunkten und wir hoffen, dass es viele Besucher in diesem Jahr nach Nürnberg verschlägt.

In unserer heutigen digitalen Gesellschaft sind Bilder allgegenwärtig und nehmen massiven Einfluss auf unseren Alltag. Umso wichtiger ist der verantwortungsbewusste Umgang mit ihnen. Was können wir hier noch von Martin Luther lernen?

Düfel: Von Martin Luther können wir in Bezug auf die Bilder sehr viel lernen. Er hat die Bilder als etwas nicht Glaubensrelevantes, aber doch als etwas Nützliches bezeichnet. Man kann sie haben oder auch nicht. Damit hat er sie entmythologisiert. Bilder zeigen keine Heiligen, die man verehrt, aber man kann damit Geschichten erzählen und Bilder didaktisch für den Glauben verwenden. Ein guter Standpunkt. Gerade heute sieht man wieder, welche Wirkungsmacht Bildern zugesprochen wird und wie Bilder in manchen Weltgegenden zum Teil immer noch bekämpft und zerstört werden. Von Martin Luther kann man hier den rationalen Umgang mit Bildern lernen. Bilder sind ja dieses Jahr Teil des Themenjahres. Wir haben bei uns in Bayern eine Aktion, die sich „Bildersturmflut“ nennt, auf den Weg gebracht. Wir versuchen, in Kirchen – das Pilotprojekt ist dabei in der Neupfarrkirche in Regensburg – Bilder und Altarbilder über einen bestimmten Zeitraum zu verhüllen, ehe sie wieder schrittweise enthüllt werden. Auf diese Weise wollen wir der Wirkung von Bildern nachspüren. Welches Verhältnis haben wir zu den Bildern in unseren Kirchen? Erinnert man sich überhaupt an Bildmotive? Was vermisst man? Brauchen wir auch wieder neue Bilder? Das sind viele hochspannende Fragen.

Stichwort „Reformatio | Reset“. Seit dieser Woche besteht die Möglichkeit täglich ein neues Gedicht von namhaften Autoren auf der Website www.luther2017-bayern.de zu lesen. Wie kann Poesie unseren Alltag verschönern?

Pfarrer Christian Düfel ist der Projektkoordinator der Reformationsdekade und Luther 2017 in Bayern. (Bild: www.luther2017-bayern.de)

Düfel: Ja genau! Das Projekt läuft seit gut einer Woche. Reformation war auch ein Sprachereignis und deswegen ist es notwendig, dass auch die Lyrikerinnen und Lyriker aus dem deutschsprachigen Raum eine Möglichkeit haben, mit ihrer Sprache einen Raum in der Lutherdekade zu bekommen. Deshalb haben der Lyriker Anton Leitner, der Herausgeber von „DAS GEDICHT“, und ich dazu aufgerufen, unter dem Titel „Reformatio | Reset – Pausenpoesie zum Neustarten“ Gedichte zu verfassen. Sprache war ja etwas, was auch Martin Luther sehr stark gefördert hat. Wir haben uns gefreut, dass dem Aufruf 80 Autorinnen und Autoren aus immerhin zwölf Nationen gefolgt sind und sich bereit erklärt haben, 100 Gedichte für die Netzanthologie zu schreiben. Gedichte rund ums Innehalten und Neustarten. Unter ihnen befinden sich viele namhafte Schriftsteller wie Sujata Bhatt, Ulrike Draesner oder Tanja Dückers. Der jüngste Autor, Leander Beil, wurde 1992 geboren; der große Schweizer Altmeister Werner Lutz feiert 2015 seinen 85. Geburtstag. Ich hoffe sehr, dass die Menschen dadurch einmal kurz zum Innehalten kommen, gerade in einem Medium wie dem Internet, wo Pausenpoesie nicht erwartet wird, sondern getaktete Nachrichten.

Was wird Ihr nächstes zentrales Projekt im Rahmen der Lutherdekade sein?

Düfel: Wenn das Themenjahr 2015 vorbei ist, werden wir uns in Bayern auf den Weg machen, ein Projekt zum Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ mit einer Art virtuellem Weltkirchentag zu planen. Wir wollen versuchen mit verschiedenen Partnerkirchen an einem Tag über das Internet, ins Gespräch zu kommen. Ein Pilotprojekt, um Gemeinden Möglichkeiten aufzuzeigen, den Dialog und die Partnerschaftsbeziehungen zu brennenden Themen auch über das Netz zu intensivieren. Das ist durchaus Neuland, das wir da betreten. Natürlich wirft 2017 auch schon seine Schatten voraus. Die bayerische Landeskirche plant deshalb Ende April in Neumarkt in der Oberpfalz eine große Zukunftskonferenz zum Reformationsjubiläum. Dort werden wir dann gemeinsam festlegen, was die Zielrichtung 2017 sein wird. Aber auch die anderen Projekte der EKD, wie der Europäische Stationenweg, der ebenfalls durch Bayern (Augsburg, Coburg, Nürnberg) führen wird, oder die Bayerische Landesausstellung 2017 in Coburg werfen schon ihre Schatten voraus. Es bleibt spannend!


Unter www.luther2017-bayern.de findet sich das ausführliche Programm zu „Buch.Bild.Provokation.“

 

 

Informationen

Autor:Das Gespräch führte Michael Achhammer Datum:30-03-15
Schlagworte:
Lutherdekade, Bayern, Nürnberg, Reformation - Bild und Bibel, Im Zug mit

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