1885 landeten die ersten ordinierten Missionare, der Presbyterianer Horace Grant Underwood und der Methodist Henry Gerhart Appenzeller, die offiziell mit medizinischer und pädagogischer Arbeit betraut waren. Obwohl missionarische Arbeit verboten war, begannen sie sofort mit der Evangelisation.
Die Einzelinteressen der unterschiedlichen protestantischen Glaubensrichtungen verhinderten jedoch die Gründung einer gemeinsamen Kirche. Die Presbyterianer waren damals mit ihrer an John Nevius orientierten Missionsstrategie besonders erfolgreich. Auch nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg 1895 hatte der Presbyterianismus starken Zulauf, was durch die wachsende Abhängigkeit von Japan noch begünstigt wurde. Viele Koreaner sahen im Christentum die einzige Hoffnung für ihr Land. Pyeongyang entwickelte sich zum Zentrum des koreanischen Protestantismus und erlebte seit 1907 eine enorme Erweckungsbewegung, die schnell das ganze Land ergriff.
Obwohl Korea 1910 seine politische Selbständigkeit verlor, wuchsen die protestantischen Kirchen bis 1939 auf mehr als 360.000 Gemeindeglieder an. Durch zunehmende Unterdrückung und die Auswirkungen des Krieges sank die Zahl der Christen bis 1945 jedoch wieder auf 200.000. Nach der Befreiung von der japanischen Herrschaft 1945 und der gleichzeitigen Teilung Koreas, insbesondere während des Koreakrieges 1950-53, flohen viele Protestanten aus dem Norden nach Südkorea. Dadurch erstarkte der Protestantismus im Süden, während er im Norden unterdrückt wurde und bis heute ein Schattendasein führt.
Rasantes Wachstum dank „Wohlstandsevangelium“
Im Süden erlebte der Protestantismus, insbesondere seit dem Beginn der Industrialisierung und Urbanisierung in den 1960er Jahren, ein rasantes zahlenmäßiges Wachstum. Dieses verdankte er vor allem seinem Prosperity Gospel („Wohlstandsevangelium“) und seiner materiellen Segensbotschaft. Seit Anfang der 1990er Jahre sind jedoch die Grenzen des Wachstums erreicht. Während die Zahl der Protestanten bei etwa 8 Millionen bzw. 16 Prozent der Bevölkerung stagniert, finden katholische Kirche und Buddhismus regen Zulauf. Zugleich ist der Protestantismus in etwa 200 – insbesondere presbyterianische – Denominationen zersplittert. Immer lauter wird deshalb der Ruf nach qualitativem Wachstum und einer Reformation. In der Tat ähnelt der Protestantismus Südkoreas in vielem der katholischen Kirche zur Zeit Martin Luthers. Man darf gespannt sein, was das 500-jährige Reformationsjubiläum in Korea bringt. Es ist zu erwarten, dass die kleine, erst 1971 von den USA aus gegründete Lutherische Kirche in Korea dabei eine wichtige Rolle spielt.
Literaturhinweis: Malte Rhinow, Eine kurze koreanische Kirchengeschichte bis 1910, LIT Verlag 2013, ISBN 978-3-643-90247-4