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Luthers Humor – allein aus Glauben von Werner Thiede

Martin Luther mit Clownsnase (Fotomontage)
(Foto: epd-bild/Luthergedenkstätten S.A./fotolia/ernsthermann (Fotomontage))

In den Tischreden sind von Martin Luther viele heitere Worte und derbe Scherze  überliefert. Humor ist für Luther von Anfang an ein theologisches Thema gewesen, das die Dramatik seines ganzen Weltbildes umfasst. So erläutert er selbst: „Wenn ich den Teufel nicht mit ernsten Worten und mit der Schrift in die Flucht schlagen konnte, habe ich ihn oft verjagt durch Possenreißerei.“ Das muss für manche Kirchenmänner seiner Zeit wie ein  blasphemischer Widerspruch in sich geklungen haben.

Theologe mit Humor

Im Mönchtum war das Lachen über lange Zeit verpönt – im Sinne einer einseitig missverstandenen Kreu­zes­theo­logie, die vor allem Schmerz und Leiden religiös verehrte. Erst Johannes Climacus, ein Mönch des 7. Jahrhunderts, er­klärte: „Gott will nicht, dass der Mensch traurig ist aus dem Schmerz der Seele; er will vielmehr, dass er aus Liebe zu ihm in seiner Seele lache und fröhlich sei.“ In dieser Tradition, die ins­besondere durch Franz von Assisi fortgeführt worden war, stand auch der Mönch Mar­tin Luther. Gerade als ausgesprochener Kreuzestheologe hatte er Humor.

Das dürfte darin begründet liegen, dass kaum jemand radikaler als Luther verstanden hatte, was der Apostel Paulus mit seiner Rechtfertigungsbotschaft meinte: den Freispruch im zukünftigen Endgericht für jeden, der an Jesus Christus glaubt und getauft wird – ein Freispruch, der bereits in die Gegenwart hinein wirkt. Der Reformator kann daher noch lachen, wo anderen das Lachen vergeht, weil er seinen Standpunkt in der Ewigkeit findet, nämlich jenseits des Jüngsten Gerichts (vgl. Joh 5,24). Er nimmt  die Begnadigung im Jüngsten Ge­richt ebenso vorweg, wie das ihr entsprechende, verheißene Lachen.

So speist sich Humor und Lachen eines freien Christenmenschen aus dem Frieden, der ihm von Gott geschenkt worden ist. Darin gründet sich jene Weltüberlegenheit, die Humor im Sinne Otto Bierbaums wachsen lässt: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Solch aus­gesprochenes „Trotzdem-Lachen“ ist bei Luther inmitten seines schweren Lebens immer wieder zu hören. Die Tiefenebene, auf die sich solch christlicher Humor letztlich berufen darf und soll, bildet Gottes Liebe, die alle Widrigkeiten der Welt erträgt und zu überwinden verspricht. Von daher ließ sich der Reformator von der Realität dieser Welt nicht unter­kriegen.

Dem Teufel eine lange Nase drehen

Angesichts häufiger, starker Kopfschmerzen, die mit Ohrensausen einhergingen, sagte sich Luther: „Doch was wollte ich den guten Kopf zeihen! Er tut’s nun billig. Er hat’s ja treulich mit mir gewagt und darf wohl sprechen, dass er hier gewesen sei, und nun mit Ehren schlafen gehen.“Dem Teu­fel als dem Geist der Traurigkeit dreht Martinus eine lange Nase: „Nun kann wahr­lich der arme Mensch, der in Sünden, Tod und Hölle ver­strickt ist, nichts Tröstlicheres hören als diese teure, liebliche Botschaft von Christus. Sein Herz muss von Grund aus lachen und fröhlich darüber werden... Angeboren ist uns zwar die Traurigkeit, und der Teufel ist der Geist der Traurigkeit, aber Gott ist der Geist der Freude, der uns rettet.“ Gegen Trübsal und Sorgen hatte Luther deshalb den Rat parat: „Wenn man un­lustig ist, soll man denken: Der Vater lacht dich jetzt an. Aber es will nicht in unser Herz, besonders in der Stunde der Anfechtung. Das Gegenteil denken wir: Gott sei uns feind, er achte unser nicht und wolle mit der Keule zu­schlagen.“ Gegenüber derlei „Gotteskomplexen“ war es der freundlich lachende, vollkom­mene Freude schenkende Gott, an den Luther sich kraft seines Rechtfertigungsglaubens hielt.

Seelsor­gerlich machte Luther auf unüberbietbare Weise deutlich, dass es die frohe Bot­schaft von der Rechtfertigung der Sünder ernster zu nehmen gilt als jede Schuld und Sünde: „Ver­lacht den Feind und sucht Euch jemand, mit dem Ihr plaudern könnt ... oder trinkt mehr, oder scherzt, treibt Kurzweil oder sonst etwas Heiteres. Man muss bisweilen mehr trin­ken, spielen, Kurzweil treiben und dabei sogar irgendeine Sünde riskieren, um dem Teufel Abscheu und Verachtung zu zeigen, damit wir ihm ja keine Gelegenheit geben, uns aus Klei­nigkeiten eine Gewissenssache zu machen… Wenn ich doch so etwas wie eine aufzufallende Sünde auf­zu­weisen hätte, nur um damit den Teufel zu foppen, damit er erkennt, dass ich keine Sünde anerkenne und mir keiner Sünde bewusst bin!“

„Bete du und lasse Gott sorgen“

Wie schon Franziskus konnte Luther allem irdischen Sich-Sorgen eine klare Absage erteilen. So schrieb er wenige Tage vor seinem Tod an seine Frau, in sorgloser Fröhlichkeit eines christlichen Humors, ironisch: „Wir danken euch ganz freundlich für Eure große Sorge, die euch nicht schlafen lässt! Denn seit der Zeit, da Ihr für uns gesorgt habt, hat uns das Feuer verzehren wollen in unserer Herberge hart vor meiner Stubentür, und gestern – ohne Zweifel kraft Eurer Sorge – wäre uns schier ein Stein auf den Kopf gefallen und hätte uns zerquetscht wie in einer Mausefalle! … Ich sorge, wo du nicht aufhörst zu sorgen, es möchte uns zuletzt die Erde verschlingen und alle Elemente verfolgen. Bete du und lasse Gott sorgen; dir ist nichts befohlen, für mich oder dich zu sorgen.“

Als früher schon einmal ein Gerücht über seinen Tod im Land umgegangen war, spottete Luther in einem „Brief von seinem Begräbnis“: „Ich, Doktor Martinus, bekenne mit dieser meiner Hand­schrift, dass ich mit dem Teufel, Papst und allen meinen Feinden gar eines Sinns bin. Denn sie wollten gerne fröhlich sein, dass ich gestorben wäre, und ich gönnte ihnen von Herzen solche Freude und wäre wohl gern gestorben zu Schmalkalden, aber Gott hat noch nicht solche Freude wollen bestätigen.“ 

Seine späte Ehe war weithin glücklich, aber sofern einmal Probleme auftauchten, wusste er sie auch humorvoll zu relativieren: „Wenn ich dem Teufel, Sünde und Gewissen einen Zorn kann ausstehen, so stehe ich Käthen von Boren auch ein Zorn aus.“ Der Religionssoziologe Peter L. Berger hat Recht: „Betrachtet man die großen Figuren der Kirchengeschichte, könnte man viel­leicht sagen, dass diejenige mit dem ausgeprägtesten Sinn für Humor Luther war.

Ein halber Flügel des Erzengels

Das vielleicht schönste Beispiel für den satirischen Zungenschlag des Reformators bietet seine letzte ge­gen Kardinal Albrecht von Mainz gerichtete Schrift „Neue Zeitung vom Rhein“ von 1542. Auf dessen Ankündigung hin, jährlich seine Reliquiensammlung in Mainz auszustellen, reagierte Luther ironisch werbend: Es seien neue Partikel dort hinzugekommen, etwa drei Flam­men vom brennen­den Dornbusch, ein schönes Stück vom linken Horn des Moses, ein Rest von jener Flagge, mit der Christus das Totenreich geöffnet hätte, ein halber Flügel von dem Erzengel Gabriel und fünf glänzende Saiten von Davids Harfe. Sogar Albrecht selbst solle dem Heiligtum in seinem Testament ein Quäntchen von seinem treuen frommen Herzen und ein ganzes Lot von seiner wahrhaftigen Zunge vermacht haben...

Auf den Reformator trifft zu, was später einmal der Philosoph Sören Kierkegaard formulierte: „Der christliche Humorist ist wie eine Pflanze, von der nur die Wurzel sichtbar ist, deren Blüte sich aber vor einer höheren Sonne entfaltet.“


Prof. Dr. theol. habil. Werner Thiede ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern und Publizist. Seit 2006 arbeitet er als Theologischer Referent beim Regionalbischof im Kirchenkreis Regensburg. Seit 2000 lehrt er Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen. 

Das verheißene Lachen. Humor in theologischer Perspektive. Werner Thiede. Göttingen 1986.