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Im Zug mit … Michael Kunze Interview mit dem Librettisten des Pop-Oratoriums „Luther“

Michael Kunze
Michael Kunze ist erfolgreicher Liedtexter, Schriftsteller und Librettist. Er schrieb das Pop-Oratorium „Luther“, das 2017 auf Deutschland-Tournee geht. (Bild: Alexander Wulz)

Michael Kunze ist Liedtexter, Schriftsteller und Librettist. Zahlreiche erfolgreiche deutsche und internationale Popmusik-Hits stammen aus seiner Feder, unter anderem schrieb er Titel für Udo Jürgens, Peter Alexander, Juliane Werding und die Münchner Freiheit. Dafür wurde er mit einem Grammy und dem ECHO Lifetime Award ausgezeichnet. In den 1980er Jahren begann er, internationale Musical-Hits ins Deutsche zu übertragen. So stammen die deutschen Fassungen von „Cats“, „Das Phantom der Oper“, aber auch von „Wicked“, „Der König der Löwen“ und „Mamma Mia!“ von Michael Kunze. 

Aber Kunze übertrug nicht nur fremdsprachige Musicals ins Deutsche, sondern schrieb auch eigene, wie „Elisabeth“, „Tanz der Vampire“ (in Zusammenarbeit mit Roman Polański), „Rebecca“ oder „Mozart!“ Im Jahr 2010 brachte er zusammen mit dem Komponisten Dieter Falk das Pop-Oratorium „Die 10 Gebote“ auf die Bühne. Bei der Uraufführung in der Dortmunder Westfalenhalle wirkten unter anderem 2.555 Sänger aus 90 deutschen Chören mit. In erneuter Zusammenarbeit mit Dieter Falk hat Michael Kunze das Pop-Oratorium „Luther“ geschrieben. Seine Uraufführung hatte das Stück am Reformationstag 2015 ebenfalls in der Westfalenhalle in Dortmund. Im Lutherjahr 2017 geht es auf eine bundesweite Tournee.

Luther2017.de traf Michael Kunze im Zug nach Hamburg. Wir sprachen über die Herausforderung großer Chöre und die Frage, wie man sich einer großen Figur wie Martin Luther nähern kann.

luther2017.de: Welche Bedeutung hat die Reformation für Sie und was macht in Ihren Augen die Relevanz dieses Ereignisses heute aus?

Ich denke, es gibt sehr viele Veranstaltungen zum Lutherjahr. Unser Oratorium hat im Wesentlichen ein anderes Ziel als die Veranstaltungen der EKD. Denn wir wollen eigentlich nicht eine Würdigung des historischen Luther, sondern wir wollen die Gedanken und Anregungen, die von Luther kommen, heute lebendig werden lassen. Dazu wollen wir natürlich auch die Figur Luthers vom Status des Denkmals befreien. Darum geht es uns. Wir wollen einen Abend veranstalten, in dem die Menschen mit Freude an die Figur Martin Luther denken und auch entsprechend nach Hause gehen. Das ist die Idee dieses Oratoriums.

luther2017.de: Sie erwähnen Luthers Denkmalstatus. Wie schafft man es denn, daraus eine Figur zu machen, mit der sich das Publikum auf einer individuellen Basis auseinandersetzen kann?

Wir benutzen dazu die Mittel der Popmusik und glauben, dass man durch klare, verständliche Texte die ursprünglichen Botschaften Luthers auch heute vermitteln kann. Das gilt besonders für unser Hauptthema „Selber denken“.

luther2017.de: Das Pop-Oratorium handelt von Luthers Verhör vor Kaiser Karl V. auf dem Wormser Reichstag. Warum haben Sie sich für diesen Abschnitt von Luthers Leben entschieden und nicht einen anderen aus seiner umfangreichen Biographie?

Das ist natürlich ein dramaturgischer Kniff. Ich denke, dass der dramatischste Moment in Luthers Leben der Wormser Reichstag war. Hier ging es buchstäblich um Tod und Leben. Es geht darum, mit den ganzen Einflüssen, die auf ihn wirken, fertig zu werden. Da ist der politische Einfluss, der Einfluss der Banken, der Einfluss seiner Verehrung durch einen gewissen Teil der Bevölkerung, die ihn völlig missverstand. Alles das hat in Worms stattgefunden und deshalb ist Worms ein Schlüsselpunkt, der sich vor allem dramaturgisch eignet, um die ganze Problematik, mit der Luther gekämpft hat, darzustellen. Ich glaube, das ist uns auch optimal gelungen.

luther2017.de: Es war zu lesen, Sie haben über Hexenprozesse promoviert. Sehen Sie Parallelen zwischen diesen Hexenprozessen und dem Verhör Luthers auf dem Reichstag?

Das ist sehr verkürzt ausgedrückt. Es ist im weitesten Sinn ein Hexenprozess gewesen, über den ich promoviert habe, es ist aber viel mehr eine Darstellung des Lebens im 16.Jahrhundert. Dieses 16. Jahrhundert, aus dem Luther stammt, ist mir sehr vertraut und insofern sind in das Oratorium viele historische Erfahrungen eingeflossen. Aber dieses Verhör auf dem Reichstag ist viel mehr als ein Hexenprozess. Es geht hier um Häresie. Die Parallele ist also weniger ein Hexenprozess, sondern eher das Verfahren gegen Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil, das bekanntlich mit dessen Verbrennung endete. Genau dasselbe hätte auch in Worms stattfinden können. Nur um Haaresbreite ist Luther diesem Schicksal entgangen.

luther2017.de: Beim Pop-Oratorium „Luther“ gibt es ja eine riesige Zahl an Mitwirkenden, in Dortmund waren über 3.000 Chorsänger beteiligt. Schreiben Sie anders für eine solche Masse an Akteuren als für ein „normales“ Musical?

Wenn man einen Chor von 3.000 Personen hat, müssen die Texte noch klarer sein, noch einfacher, noch verständlicher sein. Man kann keine komplizierten Gedanken entwickeln – oder wenn man sie entwickeln will, muss man sie in kurzen, klaren Sätzen darstellen. Es ist schwer, einen großen Chor zu verstehen, aber ich habe auch sehr viel Erfahrung in diesem Bereich und deswegen, glaube ich, gelingt das ganz gut.

luther2017.de: Herr Kunze, wir danken Ihnen für das Gespräch.