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Reformationsjubiläum der Vielfalt

Der „Jour fixe mit Luther“ ist mittlerweile zu einem festen Termin im Kalenderjahr geworden. Die dritte Ausgabe stellte gestern (19.11.2015) die Aktivitäten rund um die Lutherdekade und das Reformationsjubiläum 2017 vor. 

Die Teilnehmer des Podiums „Luther wirkt!?“. V.l.n.r.: Shelly Kupferberg, Journalistin, Dr. Michael J. Inacker, Vorstandsvorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung, Astrid Mühlmann, Geschäftsführerin der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“ und Dieter Kosslick, Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Bild: Frank Nürnberger/Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“)

„2017 naht!“ – mit großen Schritten geht es auf das Reformationsjubiläum zu. Nicht nur die Kirche, auch Bund und Länder befinden sich in der heißen Vorbereitungsphase. Zwei Jahre vor dem 500. Jahrestag der Veröffentlichung von Luthers Thesen in Wittenberg hat die Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“ deshalb zum „Jour fixe mit Luther“ eingeladen. Die Tagung gab eine erste Vorschau auf das finale Themenjahr der Lutherdekade und das Reformationsjubiläum 2017

Reformation – ein Werk der Tat

„Die Reformation war als erstes ein religiöses Ereignis, die Wirkung geht aber weit darüber hinaus“, sagte Astrid Mühlmann, Geschäftsführerin der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“,  am Donnerstag in den Räumen der Bayerischen Landesvertretung in Berlin. In ihrer Begrüßung unterstrich sie die Bedeutung der Reformation für unsere heutige Gesellschaft und lud die Menschen ein: „Kreieren Sie mit uns ein Reformationsjubiläum der Vielfalt.“

Diesen Aspekt griff Michael Reiffenstuel vom Auswärtigen Amt auf: „Eine Stärke, die unsere Gesellschaft auszeichnet, ist die Vielfalt“. Das Reformationsjubiläum habe für das Auswärtige Amt eine herausragende kulturpolitische Dimension, denn es verbinde die Menschen weltweit und solle deshalb auch global gefeiert werden. Zugleich sei die Reformation kein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte. Vielmehr fordere sie auch heute noch zum Handeln auf. „Die Reformation war ein Werk der Tat. Sie ist die Aufforderung uns für Freiheit einzusetzen“, sagte Reiffenstuel mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Paris. 

Professor Rochus Leonhardt von der Universität Leipzig beleuchtete in seinem Eröffnungsvortrag das Verhältnis von Staat und Religion und skizzierte dessen Entwicklung. In seiner Rede warnte er davor, dass „Religion eine politische Herausforderung ist, für die es keine Blaupause gibt“.  

Ein Highlight 2016 wird die Ausstellung „Here I Stand“ sein. Die Projektleiterin Dr. Tomoko Emmerling, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, zeigte Manuel Andrack einen 3D-Druck der digitalen Begleitausstellung #HereIstand. (Bild: Frank Nürnberger/Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“)

Auf Luthers Spuren

Wie weit die Vorbereitungen für das Reformationsjubiläum schon gediehen sind, dokumentierten die unterschiedlichen und vielfältigen Themenprojekte, die während des Jour fixe vorgestellt wurden. Unter dem Titel „Auf Luthers Spuren“ präsentierte der Moderator und Autor Manuel Andrack zehn ausgewählte Projekte rund um das Reformationsjubiläum 2017. Die Bandbreite der Projekte reichte von den Dauerausstellungen des Lutherhauses Eisenach oder des Bibelhaus Erlebnis Museums in Frankfurt über den gepackten Luther-Koffer und die prominent besetzten Diskussionsrunden in Hamburg bis hin zur Mitmach-Ausstellung „Pop up Cranach“ und der Entdeckung authentischer Lutherorte in Sachsen-Anhalt

Einige der Teilnehmer, die ihre Projekte vorstellten, brachten auch gleich Ausstellungsstücke mit. So konnte Manuel Andrack ein Kurzschwert, den sogenannten Katzenbalger aus dem Museum Mühlberg 1547, bestaunen, durfte einen 3D-Druck der digitalen Ausstellung #HereIstand in den Händen halten oder in einem Gespräch in die Reformationsgeschichte Bayerns eintauchen. „Eigentlich müsste man sofort eine Deutschlandrundreise machen, um diese tollen Projekte zu sehen“, fasste die Tagesmoderatorin Shelly Kupferberg von Kulturradio rbb diese Projektvielfalt zusammen.  

Internationale Ausstellungen als Leuchtturm-Projekte 

Allerdings wird es auch eine Sonderausstellung geben, die nicht in Deutschland zu sehen sein wird, sondern eine Reise nach Übersee erfordert. Unter dem Titel „Here I Stand“ werden an unterschiedlichen Orten der USA insgesamt drei Ausstellungen zu sehen sein, die Luthers Leben und Wirken im kulturhistorischen Kontext verdeutlichen sollen. Dazu entsenden vier namhafte deutsche Museen viele ihrer Glanzstücke in die USA. Zu den hochkarätigen Leihgaben, von denen viele Deutschland zum ersten Mal verlassen, zählen archäologische Funde ebenso wie authentische Realien, Autographen und weitere Kunstwerke. Sie werden ab Herbst 2016 unter dem Projekttitel „Here I Stand...“ in drei Ausstellungen an verschiedenen Orten in den USA für das Reformationsjubiläum 2017 werben: In The Morgan Library & Museum in New York, am Minneapolis Institute of Art und an der Pitts Theology Library der Emory University in Atlanta. 

Wer die Reise in die USA nicht antreten möchte, hat die Möglichkeit sich mithilfe der digitalen Begleitausstellung #HereIstand über Leben und Wirken Martin Luthers zu informieren. Diese Onlinepräsentation kann sogar in Form von Postern abgerufen und ausgedruckt werden. So können verschiedene Einrichtungen weltweit Ausstellungen zum Reformationsjubiläum realisieren.  

Neben „Here I Stand“ wird in den USA noch eine weitere Ausstellung zur Reformation gezeigt. Im Los Angeles County Museum of Art wird die Kunst-Ausstellung „Renaissance and Revolution“ zu sehen sein. „Beide Ausstellungen sind für uns Leuchtturm-Projekte“, erklärte Dirk Schulz vom Auswärtigen Amt, das die verschiedenen Ausstellungen im Ausland unterstützt. „Die Reformation war ein Exportschlager, kreiert von Martin Luther“, so Schulz.

Die Planungen für die drei Nationalen Sonderausstellungen laufen auf Hochtouren. Vertreter der Wartburg-Stiftung Eisenach (l.), des Deutschen Historischen Museums in Berlin und der Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt (r.) gaben einen Ausblick auf die Ausstellungsvorhaben 2017.
(Bild: Frank Nürnberger/Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“)

Nationale Sonderausstellungen

In Deutschland selbst laufen inzwischen die Planungen für die drei Nationalen Sonderausstellungen auf Hochtouren, die 2017 zu sehen sein sollen. Unter dem Titel „Der Luthereffekt“ entsteht derzeit eine Schau für das Deutsche Historische Museum in Berlin. Ab April 2017 erzählt die Ausstellung erstmalig die weltumspannende Geschichte des Protestantismus, die bis in die Gegenwart reicht. Die Wartburg bei Eisenach, die weltweit meistbesuchte Lutherstätte, zeigt ab Anfang Mai mit „Luther und die Deutschen“, wie jede Epoche deutscher Geschichte ihr ganz eigenes Lutherbild prägte. 

In der Wittenberger Ausstellung „95 Menschen – 95 Schätze“ soll schließlich Luther als Privatperson „mit all seinen Widersprüchlichkeiten“ erfahrbar werden, wie Nina Mütze, Projektmanagerin der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“, mitteilte. Gezeigt werden dort vor allem Gegenstände aus Luthers Besitz, darunter seine private Bibel und sein eigenhändig verfasstes Testament.

„Luther bei die Fische“

Diese Widersprüchlichkeiten um die Person Martin Luther spielten auch für die Teilnehmer des Podiums eine wichtige Rolle. Unter dem Motto „Luther wirkt!?“ diskutierten Astrid Mühlmann, der Vorstandsvorsitzende der Internationalen Martin Luther Stiftung Michael J. Inacker, der Historiker und Publizist Eberhard Straub und der Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin Dieter Kosslick über nationale Identitäten, Wertesysteme und die Person Martin Luthers. 

Zum Abschluss des Jour fixe nahm Manuel Andrack noch einmal eine Schlussbetrachtung des Tages vor. Unter dem Titel „Luther bei die Fische“ fasste er seine Tagesbeobachtungen zusammen und gab zu, dass er an diesem Tag viel Neues gelernt habe. So wisse er nun, was ein „Katzenbalger“ sei. Mit Blick auf die Podiumsdiskussion stellte er fest: „Je ernster man einen Religionsstifter nehme, desto weniger gut ist es für die Religion.“