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"Vom Himmel hoch": Der berühmteste Coversong der Kirchengeschichte

Martin Luther höchstselbst komponierte mehrere Dutzend geistliche Lieder

Vom Himmel hoch
(Foto: epd-bild/Stefan Arend)

In der weihnachtlichen Hitparade steht "Vom Himmel hoch, da komm ich her" ganz weit oben. Neben "O du fröhliche" und "Stille Nacht" zählt es wohl zu den bekanntesten und beliebtesten Liedern rund um den Geburtstag Jesu Christi. Was nur wenige wissen: Text und Noten des Liedes stammen von keinem Geringeren als Martin Luther selbst. Der Reformator hat dabei etwas getan, was heute gang und gäbe ist: Er "coverte" eine ältere Melodie.

"Vom Himmel hoch, da komm ich her" entstand der Legende nach im Jahr 1534, als Luther mit Frau und Kindern in Wittenberg Weihnachten feierte. Das Lied sollte die Bescherung der Kinder untermalen. Der älteste Luthersohn Johannes war damals acht Jahre alt, die jüngste Tochter Margarethe gerade ein paar Tage vor dem Fest geboren worden. Der Brauch des Schenkens an Weihnachten geht ebenfalls auf Luther zurück – das Christkind als Gabenbringer löste den Nikolaus ab, denn Heiligenverehrung war für die Protestanten tabu.

Ein Jahr später, 1535, wurde "Vom Himmel hoch" als Kinderlied erstmals veröffentlicht. Luther verwendete zunächst eine andere als die heute übliche Melodie. Er entnahm sie einem weltlichen Kranzlied, "Ich kumm aus frembden Landen her". Dieses wurde von Jugendlichen in Singspielen verwendet: Beim abendlichen Tanzvergnügen gab es das sogenannte Kränzelsingen, bei dem sich junge Männer musikalische Rätsel stellten. Der Sieger erhielt von seiner Auserwählten einen Kranz.

Vorlage für ein Krippenspiel?

Auch Luthers 15-strophige Umdichtung, so vermuten Forscher, könnte die Vorlage für eine szenische Aufführung gewesen sein. Der Reformator greift auf die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukasevangelium zurück: Ein Engel verkündet den Hirten die Geburt des Heilands. Die Gläubigen sind aufgerufen, gemeinsam mit den Hirten zur Krippe zu kommen: "Des lasst uns alle fröhlich sein / Und mit den Hirten gehen hinein". Damit greift Luther die mittelalterliche Tradition des Kindelwiegens auf, worauf sich auch der Begriff "Susaninne" in der vorletzten Strophe bezieht.

In Luthers Dichtung wird zugleich der theologische Ansatz des Reformators deutlich: Der Liedtext betont den Gegensatz zwischen der Hoheit Christi und seiner niedrigen Geburt im Stall von Bethlehem. Gott kommt als "edler Gast" im Elend zur Welt. In der abschließenden Strophe findet sich das Lob Gottes, ähnlich wie in Psalmen und Hymnen. Mit dem "neuen Jahr" ganz zum Schluss ist nicht das Kalenderjahr gemeint, sondern der Anbruch einer friedvollen, einträchtigen Zeit.

Dass man bestehende Lieder mit neuen Melodien unterlegt, wie es Luther aus Gründen der Popularisierung tat, ist in der Musikgeschichte übrigens nichts Ungewöhnliches: "O du fröhliche" etwa war ursprünglich ein italienisches Seemannslied. Für "Vom Himmel hoch, da komm ich her" schrieb Martin Luther später eine eigene Melodie. Sie wurde 1539 erstmals veröffentlicht. Unter dieser Melodie wird das Lied noch heute gesungen.

Gemeinsamer Gesang erst seit der Reformation

Generell spielte die Musik in der Reformation und seither in der evangelischen Kirche eine große Rolle. Zuvor war in Kirchengemeinden nur vereinzelt gesungen worden, meist beschränkten sich die Gesänge auf lateinische Hymnen und Choräle, dargebracht von Mönchen. Der Reformator Luther war indes der Überzeugung, dass die befreiende Botschaft des Glaubens gerade durch Töne die Herzen der Menschen erreichen kann. Der gemeinsame Gesang wurde zum festen Bestandteil des protestantischen Gottesdienstes.

So wurde der vielbegabte Luther auch zum Wegbereiter des evangelischen deutschsprachigen Kirchenliedes. Er schrieb und komponierte rund 40 Gesänge, von denen viele bis heute weite Verbreitung haben. Die bekanntesten Lieder aus der Feder des Reformators sind das Adventslied "Nun komm, der Heiden Heiland", "Christ lag in Todes Banden", "Christ, unser Herr, zum Jordan kam" und natürlich "Ein feste Burg ist unser Gott". Das Lied, das Motive aus Psalm 46 aufgreift, wurde geradezu zur Hymne des Protestantismus. Heinrich Heine nannte es die "Marseillaise der Reformation".

Beliebter allerdings ist "Vom Himmel hoch, da komm ich her" geblieben – nicht zuletzt wegen des Bezugs zu Weihnachten. Das Lied fand sich bereits Anfang der 1540er Jahre in Gesangbüchern in Straßburg und Leipzig und wurde auch in Holland, Schottland oder Dänemark gesungen. Große Popularität erlangte ferner die Umdichtung des schlesischen Pastors Valentin Triller von 1555, der dem Lied die bis heute ebenfalls gebräuchliche Strophe "Es kam ein Engel hell und klar" voranstellte.

Bach, Mendelssohn, Strawinsky

Zahlreiche Chor- und Instrumentalbearbeitungen zeugen zudem von der eingängigen Schönheit von Luthers Melodie. Johann Sebastian Bach (1685-1750) verwendete sie in seinem berühmten Weihnachtsoratorium gleich an drei Stellen. Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb eine Choralkantate auf "Vom Himmel hoch", Igor Strawinsky komponierte Variationen. Im bürgerlichen 19. Jahrhundert wurde das Lied zum Weihnachtssymbol schlechthin. Das zeigt zum Beispiel die Verwendung in Theodor Fontanes 1878 erschienenem Roman "Vor dem Sturm".

Das Lied macht inzwischen auch vor konfessionellen Grenzen nicht mehr Halt. Zwar gab es in der katholischen Kirche lange Zeit Vorbehalte gegen die Kompositionen des "Kirchenspalters" Luther. Wenn "Vom Himmel hoch" angestimmt wurde, dann in Trillers Version mit der vorgestellten Strophe "Es kam ein Engel hell und klar". Auch das katholische "Gotteslob" von 1975 erhält noch diese Fassung. Im neuen Gesangbuch der deutschsprachigen Bistümer, das soeben erschienen ist, findet sich hingegen die ursprüngliche Version Martin Luthers - samt dem Hinweis "ö" für ökumenisch.


Literaturhinweise:

Hans-Otto Korth: Martin Luthers Lied "Vom Himmel hoch". Zur Herkunft der beiden jüngeren Melodien, in: Das deutsche Kirchenlied. Bilanz und Perspektiven einer Edition. Bericht über die internationale Tagung in Mainz November 2008. Hg. von Wolfgang Hirschmann/Hans-Otto Korth, Kassel 2010, S. 40–51.

Hans-Otto Korth: Zur Entstehung von Martin Luthers Lied "Vom Himmel hoch, da komm' ich her", in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 44 (2005), S. 139–154.

Gerhard Hahn: Evangelium als literarische Anweisung. Zu Luthers Stellung in der Geschichte des deutschen kirchlichen Liedes. München/Zürich 1981, S. 133–143.

Informationen

Autor:Bernd Buchner Quelle:luther2017.de Datum:19-12-13
Schlagworte:
Luther, Musik, Gottesdienst, Weihnachten

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