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Martin Luther und die Reformation veränderten Weihnachtsbräuche Zwar ist der Weihnachtsbaum keine Erfindung Luthers, wohl aber „Vom Himmel hoch“

”Luthers Winterfreuden im Kreise seiner Familie“. Radierung, 1847, von Gustav König (1808-1869).
(Bild: © epd-bild / akg-images)

Draußen ist es kalt und dunkel, womöglich liegt Schnee, aber in der Wohnstube steht ein hell erleuchteter Weihnachtsbaum, hängt vielleicht auch ein Herrnhuter Stern. Kerzen sind entzündet, die Familie kommt zusammen, es gibt kleine Leckereien, Kaffee oder Tee. Weihnachtslieder werden gesungen oder doch zumindest „von der Konserve“ abgespielt. Dann endlich dürfen die Geschenke ausgepackt werden, die schon so verlockend unter dem Baum platziert sind. So oder so ähnlich sieht es an Heiligabend in vielen Wohnstuben aus. Dass das nicht immer so üblich war, wissen viele; dass Martin Luther und die Reformation damit zu tun haben, dass es jetzt so ist, wissen manche. Werfen wir einen Blick auf die Weihnachtsbräuche und ihre Veränderungen.

Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert leuchtet der Weihnachtsbaum

Der Weihnachtsbaum in der heute bekannten Form hat in Deutschland wohl erst Ende des 16. Jahrhunderts und zu Beginn des 17. Jahrhunderts Einzug in die (protestantischen) Wohnstuben und Kirchen gehalten. So wird von einem schwedischen Offizier berichtet, der in der Schlacht bei Lützen 1632 verwundet und anschließend in einer nahegelegenen Gemeinde gepflegt worden sei. Er habe sich mit einer Weihnachtsfeier bedankt und dabei auch einen mit Lichtern geschmückten Baum aufstellen lassen - wie in seiner Heimat üblich. Es hält sich aber auch die Behauptung, Martin Luther habe den Weihnachtsbaum populär gemacht. So gibt es Stiche, die Luther an Weihnachten im Kreis seiner Familie zeigen. Recht prominent im Bild: ein mit Kerzen geschmückter Nadelbaum. Aber ob Carl August Schwerdgeburths Stahlstich „Luther mit seiner Familie am Christabend 1536 zu Wittenberg“ oder Gustav Königs Radierung „Luthers Winterfreuden im Kreise seiner Familie“: Beide stammen aus dem 19. Jahrhundert und zeigen kein historisches Bild. Die Künstler haben sich schlicht von den zu ihrer Zeit verbreiteten Idealvorstellungen eines Weihnachtsabends in einer gutbürgerlichen Familie leiten lassen. 

 Das alles heißt aber nicht, dass die Weihnachtsstube zu Luthers Zeiten ohne immergrünen Schmuck auskommen musste. Schon 1419 habe die Bruderschaft der Bäcker in Freiburg im Breisgau einen Baum mit Lebkuchen, Äpfeln, Papier und gefärbten Nüssen geschmückt, heißt es in einer Legende aus der Gegend. Historisch belegt dagegen ist, dass 1521 der Förster im elsässischen Schlettstadt (Sélestat) dafür bezahlt wurde, die „Meyen“ zu hüten. „Meyen“ ist ein Begriff für den Festbaum, der zur Weihnachtszeit geschmückt wurde. Aber eben nicht mit Lichtern, wie wir es kennen, sondern oft mit roten Beeren. Man stellte ihn aus Respekt vor der sich stets erneuernden Natur auf. Luther hat also mit dem Weihnachtsbaum nichts zu tun. Aber wie sieht das bei den Geschenken aus?

Zwei Geschenke vor Tannengrün
Geschenke sind ein wichtiger Bestandteil von Weihnachten. Schön verpackt bringen sie Freude. (Bild: pixabay)

Christkind bringt Weihnachtsgeschenke

Ganz selbstverständlich gibt es zur Weihnachtszeit Geschenke. Allerdings war es nicht immer so, dass diese Gaben zu Weihnachten beschert wurden. Und an dieser Veränderung ist Martin Luther nach allgemeiner Überzeugung stark beteiligt. Allgemeiner Feiertag ist Weihnachten im deutschen Sprachraum erst seit 813, nach einer Erklärung der Mainzer Synode. Lange Zeit wurde es aber nur in der Kirche gefeiert und nicht in den heimischen Wohnstuben. Im 16. Jahrhundert war es üblich, dass die Kinder am 6. Dezember Geschenke bekamen. Das waren meist kleinere Leckereien, Äpfel oder Nüsse. Der da am Nikolaustag Geschenke brachte, war Sankt Nikolaus. Historisch schwer fassbar, geht die Figur wohl auf den Bischof Nikolaus von Myra zurück. Der soll ein besonders menschenfreundlicher Kirchenmann gewesen sein, der als Wohltäter der Armen galt. 

Martin Luther war der Kult um die Heiligen grundsätzlich ein Dorn im Auge. Das war beim Heiligen Nikolaus nicht anders. Ein „kyndisch ding“ sei die Legende, heißt es in einer Predigt Luthers zum Nikolausfest 1527. Grundsätzlich sah Luther das Überbringen von Geschenken aber als Möglichkeit zur Kindererziehung. „So wie man den kleinen Kindern beibringt, dass, wenn sie fasten und beten und ihre Kleides des Nachts ausbreiten, das Christkind oder St. Nikolas sie bescheren soll. Wenn sie aber nicht beten, beschert sie nicht oder beschert ihnen eine Rute oder einen Pferdeapfel.“ Dementsprechend lässt sich auch belegen, dass in Luthers Haushalt noch 1535 Nikolausgeschenke an die Kinder gekauft wurden. Außerdem wurden seinerzeit auch Mägde, Knechte und Bedienstete beschenkt. Das musste aber nicht unbedingt von Herzen kommen. Vielerorts wurden in der Weihnachtszeit schlicht die praktischen Dinge überreicht, die als rechtlicher Anspruch der Bediensteten in den Gesindeordnungen festgesetzt waren.

Da Luther den Nikolauskult als Kinderei und gar als Lüge ansah – wie viele andere katholische Bräuche auch – hätte er ihn wohl am liebsten verboten, wie es einige seiner Nachfolger später tatsächlich taten. Luther jedoch führte eine andere Figur in die Bescherung ein. So fragt er in einer seiner überlieferten Tischreden seine Tochter Magdalena: „Lenichen, was wird dir der Heilige Christ bescheren?“ Der Heilige Christ entspricht nach Meinung einiger Forscher aber nicht dem neugeborenen Christuskind, was nahe läge, sondern gehe zurück auf die engelsähnlichen Gestalten von Krippenspielen und Weihnachtsumzügen. Das entspricht auch der heutigen Darstellung des Christkinds. Die Behauptung, Luther habe das Christkind quasi erfunden, ist wissenschaftlich jedoch umstritten. Nicht umstritten ist, dass mit der wachsenden Bedeutung des Christkinds die Mehrzahl der Geschenke an Weihnachten und nicht mehr am Nikolaustag überreicht wurden. Interessanterweise übernahm das Christkind auch in den katholischen Gegenden die Rolle des Geschenkeüberbringers. Im nördlichen Deutschland und Teilen Ostdeutschlands ist es dagegen aus dieser Rolle weitgehend verdrängt worden. Hier bringt seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend der Weihnachtsmann die Geschenke. 

„Luther im Kreise seiner Familie“. Gemälde, 1866, von Gustav Adolph Spangenberg (1828-1891) (Bild: epd-bild / akg-images)

Deutschsprachige Lieder für einen besseren Gottesdienst

Der dritte große Bestandteil der Weihnachtsbräuche sind unbestritten Weihnachtslieder. Auch hier hat Luther seine Spuren hinterlassen. Schon als Schüler an der Magdeburger Domschule war Luther Chorsänger und übte auf verschiedenen Instrumenten. Auch war er Kurrendesänger, also Mitglied in einem der Laufchöre, die besonders zu kirchlichen Hochfesten wie Ostern oder Weihnachten von Tür zu Tür zogen um Spenden zu erbitten. Später, in Erfurt, brachte sich Luther das Lautenspiel bei, während er sich von einer schweren Verletzung erholte – er hatte sich mit dem Degen, den er als Student zu tragen hatte, die Schlagader am Oberschenkel aufgeschlitzt und drohte zu verbluten. Luther war also durchaus musikalisch gebildet. Das kam ihm zugute, denn mit der Reformation war die Gemeinde Teil des Gottesdienstes geworden. Nun mussten die Gottesdienstbesucher natürlich in der Lage sein, verständlich mitsingen zu können. Luther hatte die deutsche Sprache im Gottesdienst eingeführt, an deutschsprachigen Liedern herrschte jedoch ein gewisser Mangel.

Ab 1523 widmete sich Luther daher verstärkt der Erschaffung neuer Lieder für den Gemeindegesang. Dabei konzentriert sich seine Arbeit zunächst darauf, alte Lieder mit neuen Texten zu versehen. 1524 erscheint Luthers erstes Weihnachtslied „Gelobet seist du, Jesu Christ“, das auf der lateinischen Sequenz „Grates nunc omnes“ der Mitternachtsmesse zu Weihnachten basiert. Luthers bekanntestes Weihnachtslied ist „Vom Himmel hoch“ von 1535. Ursprünglich auf das Spielmannlied „Ich komm von fernen Landen her“ gedichtet, verfasste er später eine Choralmelodie dazu. Sie wurde erstmals 1539 gedruckt. Geschrieben hat es Luther ausdrücklich für das familiäre Weihnachtsfest als „Kinderlied auf die Weihnacht“. 37 Lieder können eindeutig Martin Luther zugewiesen werden. Sie finden sich bis heute in evangelischen Gesangbüchern und bilden den Anfang der geistlichen Musikkultur, die von Johann Sebastian Bach zum Höhepunkt geführt wurde.

Informationen

Autor:Malte Zander Quelle:luther2017.de/epd Datum:15-12-16
Schlagworte:
Weihnachten, Weihnachtslieder, Christkind, Nikolaus, Martin Luther

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Die reformatorischen Ideen sorgten nicht nur in Studierstuben für Aufruhr, sondern auch in Weihnachtsstuben.