Bereits im frühen Christentum ist belegt, dass sich die Gläubigen im Gebet nicht nur an Gott und Christus wandten, sondern auch an Heilige wie etwa die Apostel Petrus oder Paulus. Solche Fürbitten finden sich in römischen Putzritzungen ebenso wie in ägyptischen Papyri. Bis zu Luthers Zeit hatte sich eine sehr starke und vielfältige Heiligenverehrung entwickelt, die mitunter bei flüchtiger Betrachtung schon den Eindruck erwecken konnte, hier würde die vorchristliche Vielgötterei in anderer Form fortgeführt. Das ging dem Reformator deutlich zu weit, denn Luther sah in Christus den einzigen Fürbitter. Seit der Darlegung der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag 1530 ist die Ablehnung der Heiligenverehrung in der bis dahin praktizierten Form auch Bestandteil der protestantischen Lehre.
Volksfrömmigkeit, Reliquienkult und Ablass
Zunächst geschah die Verehrung als Heilige noch eher spontan, erst ab dem 10. Jahrhundert wurde sie in der Kirche geregelt. Zunächst galt die Heiligsprechung als Privileg der Bischöfe, später dann des Papstes. Der 973 verstorbene Bischof Ulrich von Augsburg wurde als erster von einem Papst heilig gesprochen, nämlich von Papst Johannes XV. im Jahr 993. Unter Innozenz II. wurde die Heiligsprechung zum alleinigen Recht der Päpste. So konnte letztlich auch der Volksfrömmigkeit Grenzen aufgezeigt werden, denn eine öffentliche Anbetung war ohne Kanonisierung des Angebeteten nicht gestattet.
Im Zusammenhang mit den Heiligen erlangten auch Reliquien eine enorme Bedeutung. Ihr Besitz war auch mit Ablässen verbunden, wer also Reliquien besaß, war nicht auf Ablasshändler wie Johann Tetzel angewiesen. Luthers Schutzherr, Kurfürst Friedrich der Weise, besaß einen Schatz von über 19.000 Reliquien und Albrecht von Brandenburg soll durch seine Reliquiensammlung 38 Millionen Jahre Ablass angesammelt haben. Diese Art der Heiligenverehrung war den Reformatoren – ob Luther, Calvin oder Zwingli – ein Dorn im Auge. 1524 verfasste Luther gegen die Heiligsprechung des Bischofs Benno von Meißen die Schrift „Wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden“, in der er einerseits die Heiligsprechung dieses Bischofs als politisch begründet anprangert und andererseits darüber spottet, dass Benno „mit gülden Schaufeln aus der Erde zu kratzen ist“. Schon 1520 hatte Luther den Ablass grundsätzlich als „todt Ding“ kritisiert, dass nicht die Sünde nehme, sondern die Strafe für die Sünde. So sei keine Besserung möglich.