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Laser-Operation für die Heilige Veronika

Eine der sieben Kreuzwegstationen aus der Zeit um 1500. Sie werden momentan restauriert. (Bild: epd-bild/Timo Lechner)

Zum Reformationsjubiläum wurden zahlreiche Stätten der Reformation frisch restauriert, wie die Schlosskirche oder zuletzt die Luther-Stube in Wittenberg. Aber auch andere sakrale Kunstwerke sollen pünktlich zum Reformationstag 2017 in neuem Glanz erstrahlen. So werden im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg derzeit die Kreuzwegsstationen von Adam Kraft restauriert; zumindest die Reinigungsarbeiten sollen bis Ostern fertig sein. Es ist mehr als der Zahn der Zeit, der an den sieben Kreuzwegstationen aus der Zeit um 1500 genagt hat. Ruß, Schwermetalle, Kriege und nicht zuletzt Kunstmaler im 19. Jahrhundert haben den Reliefs zugesetzt. Wenn Steinrestauratorin Katrin Müller heute mit dem Laser im Nationalmuseum Hand anlegt, dann bleiben ihr oft Staunen und Kopfschütteln.

„Da komme ich kaum mit meinem Pinsel hin, Adam Kraft hat es aber mit dem Werkzeug geschafft“, staunt Müller. Die Diplom-Restauratorin hat in ihrem Arbeitsleben schon viel gesehen, kommt aber ins Schwärmen, wenn sie über ihre Arbeit an den Steinreliefs mit Szenen der Passion Christi von Kraft spricht. Seit April 2015 arbeitet sie nahezu ununterbrochen an den Reliefs in der Kartäuserkirche des Nationalmuseums. Sie legt gestaffelte Bildebenen und freiplastische Teile frei – und macht sie vor allem sauber.

Denn die sieben Darstellungen des Weges Christi nach Golgatha waren nicht immer im geschützten, musealen Raum. Jahrhundertelang befanden sie sich auf dem Wallfahrtsweg, der von der Nürnberger Altstadt zum Johannisfriedhof führte, waren in Häuserwänden oder Gartenmauern eingebaut. Daher sind sie auch mal übertüncht oder gestrichen oder gar mit fremden Stoffen ergänzt worden.

Ein Laser beseitigt die Kruste aus Umwelteinflüssen

Maler der Nürnberger Kunsthochschule versuchten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder an den Reliefs und arbeiteten dabei auch mit organischen Stoffen wie Harz oder Schellack. Im Lauf der Jahrhunderte musste der Sandstein zudem so manche Umweltsünde miterleben, von denen eine stattliche Kruste zeugt, die mit dem gepulsten Strahl eines 20-Watt-Lasers Stück für Stück abgearbeitet wird.

Dunkle Verfärbungen werden entfernt, außerdem sollen die unterschiedlichen Zustände der Reliefs einander angeglichen werden, damit der Kreuzweg wieder als Gesamtkunstwerk erkennbar gemacht wird. Die ersten Teile wurden bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts geborgen, das letzte kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Steinrestauratorin Katrin Müller arbeitet an der Wiederherstellung der Reliefs in der Kartäuserkirche des Germanischen Nationalmuseums. (Bild: epd-bild/Timo Lechner)

„Dieses Gesicht hat jahrhundertlang niemand mehr gesehen“, sagt Müller und deutet auf einen Kopf, der nur schemenhaft hinter einer weiteren Figur erscheint. Die Züge hat sie wieder zum Vorschein gebracht. Rund zwei Wochen lang sitzt sie an einem einzelnen Relief. Die Arbeiten werden sich noch einige Monate hinziehen. 125 000 Euro kostet die Restaurierung, von denen zwei Drittel die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung sponsert. Weitere Gönner vom Förderkreis des Germanischen Nationalmuseums und letztlich das Museum selbst legen den Rest drauf.

„Wir haben es hier mit einem Top-Werk deutscher Kulturgeschichte zu tun“, erklärt Frank Matthias Kammel, Sammlungsleiter für Skulptur bis 1800 am Nationalmuseum, der Adam Kraft in einem Atemzug mit Tilmann Riemenschneider und Veit Stoß nennt. „Vielen Nürnbergern ist ihr Schatz gar nicht so bewusst“, ergänzt er mit Blick auf die Werke, die in den Jahren 1505 bis 1508 entstanden sind.

Kraft in einem Atemzug mit Riemenschneider und Veit Stoß

Als Meisterwerk des Nürnbergers Adam Kraft gilt das Sakramentshaus in der Lorenzkirche. Berühmt ist auch das Schreyer-Landauer-Epitaph an der Außenwand des Ostchores von St. Sebald aus den Jahren 1490/92, auf dem ebenfalls Szenen der Passion Christi zu sehen sind.

Die sieben Kreuzwegstationen sind ein Spätwerk des Künstlers, der sein Handwerk zur Entstehungszeit zur wahren Meisterschaft gebracht hatte. Die biblischen Figuren scheinen lebendig, ausdrucksstark, detailreich. Aber sie haben eben viel mitgemacht. Wie die Szene, in der Veronika Christus das Schweißtuch reicht. Das Bild barst bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg in rund 50 Einzelteile, die in glühenden Schutt fielen. Bürger brachten sie ins Germanische Nationalmuseum, wo sie wieder zusammengesetzt und die Risse mit dunkler Farbe kaschiert wurden. Rund 70 Jahre später ist das Bild ein Fall für Katrin Müller.

Die Restaurierung insgesamt wird sich nach Museumsangaben noch bis in der Herbst ziehen. Spätestens zum 500. Reformationsjubiläum am 31. Oktober soll der Stationenweg in neuem Glanz erstrahlen.

Informationen

Autor:Timo Lechner/luther2017.de Quelle:epd Datum:09-03-17
Schlagworte:
Kunst, Restaurierung, Reformationsjubiläum, Nürnberg, Kreuzweg

Nürnberg

Ein großer Teil der Nürnberger Bürger bekannte sich schnell zu den lutherischen Lehren. Martin Luther sagte von der Stadt, Nürnberg sei "das Auge und Ohr Deutschlands". Mit 21 Druckereien war Nürnberg die Medienstadt der damaligen Zeit. Durch den Druck der "Flugschriften" verbreiteten sich reformatorische Ideen massenhaft.