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Kirche, Aula, Kontroverse – Die Uni Leipzig bekommt ihre Universitätskirche zurück

Die in moderner Form wieder errichtete Universitätskirche in Leipzig. (Bild: epd-bild/Jens Schulze)

Im Mai 1968 wurde die Universitätskirche St. Pauli in Leipzig gesprengt – auf Geheiß der DDR-Regierung. Dem Beschluss zum Wiederaufbau folgten jahrelange Querelen. Ob die geplante Mehrfachnutzung künftig reibungslos funktioniert, ist offen.

Es könnte so einfach sein: Die Universität Leipzig hatte mit der Hochschulkirche St. Pauli ein eigenes Gotteshaus, das DDR-Regime ließ sie aber 1968 sprengen. Die vom Krieg fast unbeschädigte gotische Kirche – 1545 von Reformator Martin Luther höchstselbst als Universitätskirche geweiht – störte die sozialistische Neugestaltung des zentralen Karl-Marx-Platzes. In einer Nacht- und Nebelaktion konnte noch einiges an Kunst aus dem Sakralbau gerettet werden. Knapp 50 Jahre später ist die Kirche wieder aufgebaut, allerdings als moderner Bau und nicht originalgetreu. Am Freitag wird die Paulinerkirche nach acht Jahren Verzögerung feierlich eröffnet.

Doch so einfach war es nicht, und so einfach ist es nicht. Das deutet bereits der Name des Neubaus an. „Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli“, lautet er einer Hochschulsprecherin zufolge offiziell. Das sei ein „Wortungetüm“, urteilt Universitätsprediger Peter Zimmerling – und nicht wenige Leipziger dürften ihm beipflichten.

Schneeweiße Gewölbedecke

Der diverse Charakter wird auch beim Blick ins Innere des Neubaus deutlich. Zwar mutet der Raum, der auch früher als Kirche und Aula zugleich genutzt wurde, mit seiner Orgelempore und seiner am gotischen Vorbild orientierten, wenngleich schneeweißen Gewölbedecke durchaus sakral an. Doch trennt ihn eine Glaswand in zwei Teile: einen kleineren, klimatisierten Chorraum, in dem sich ein spätgotischer Wandelaltar und 26 wertvolle Epitaphe aus der alten Kirche finden; und in den größeren, bestuhlten Aula-Teil.

Blick in die Universitätskirche: im Vordergrund die Aula, hinter der Glaswand der Chorraum. (Bild: epd-bild/Jens Schulze)

Bei Bedarf kann die Wand geöffnet werden, so dass insgesamt gut 700 Gäste Platz finden. Die Universität ist von den „vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten“ des Gebäudes daher „außerordentlich begeistert“, wie Rektorin Beate Schücking betont. Denn außer als Aula und Kirche soll der Bau auch der Universitätsmusik als feste Stätte dienen.

Dass da Konflikte nicht ausbleiben könnten, scheint Schücking zu ahnen. Als wolle sie die geistlichen Zweifler versöhnen, schiebt sie noch ein sakrales Sprachbild hinterher: Es sei dem Geschick des niederländischen Architekten Erick van Egeraat zu verdanken, „dass wir hier eine gewisse Dreifaltigkeit haben“, sagt die Rektorin.

„Dreifaltigkeit“ aus Aula, Kirche und Universitätsmusik

Dieses Bemühen um Verständigung war nicht immer gegeben. „Ich war mindestens zweimal drauf und dran, das Amt hinzuwerfen“, sagt Uniprediger Zimmerling. Als einen Grund nennt er einen noch von seinem und dem Vorgänger Schückings verabredeten „großen öffentlichen Akt“ zur Grundsteinlegung des Altars – der letztlich nie stattgefunden habe.

Weiterer Streitpunkt bleibt für Zimmerling der Name des Baus. Im Alltag wird der Neubau meistens schlicht „Paulinum“ genannt, die Betitelung als Kirche fällt unter den Tisch. Dabei ist in dem Neubau jeden Sonn- und Feiertag ein Hochschulgottesdienst geplant, hinzu kommen wöchentliche Abendvespern. Zimmerling plädiert daher für einen Kompromiss: Finden Gottesdienste statt, solle von der „Universitätskirche St. Pauli“ gesprochen werden. Gehe es um eine akademische Veranstaltung, „kann man sagen, es findet in der Aula statt“.

Der Chorraum enthält einen spätgotischen Wandelaltar und Epitaphe aus der alten Kirche. (Bild: epd-bild/Jens Schulze)

Weiteren Ärger machte der Verzug am Bau. Eigentlich sollte die Einweihung schon zur 600-Jahr-Feier der Universität vor acht Jahren erfolgen. Zuletzt sorgte jedoch vor allem die aufwendige Glasverkleidung der Säulen im Innenraum für Unmut. Erst spät gab der Architekt sein Einverständnis.

Als das Gebäude Ende August schließlich fertig war, gab es keine öffentliche Übergabe an die Hochschule. Stattdessen lud das Finanzministerium nur zu einer „Bauabschlussfeier“ ein – für die beteiligten Firmen, die Jury des Architektenwettbewerbs und Vertreter der Hochschule. Die Kosten für den Neubau trug der Freistaat Sachsen – sie lagen mit rund 117 Millionen Euro in etwa doppelt so hoch wie vorgesehen.

Nun aber soll gleich vier Tage lang gefeiert werden. Dem Festakt am Freitag folgen ein Bürgertag am Samstag und ein Festgottesdienst am Sonntag. Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing wird dabei unter anderem die Altäre und Orgeln in Dienst nehmen. Auch etliche Zeitzeugen, die die Sprengung der alten Kirche erlebt haben, werden erwartet, dazu viele Studenten. Am Montag wird noch der „dies academicus“ zum inzwischen 608. Geburtstag der Universität in die Feiern integriert.

Zum Festakt am Freitag hat aber zunächst Sachsens scheidender Ministerpräsident Stanislaw Tillich sein Kommen angekündigt. Für ihn sei die Aula und Universitätskirche ein „Simultan-Ort für Wissenschaft und Glauben“, sagte er im August. Ob sie diesen Anspruch erfüllt wird, muss sich erst noch zeigen.

Informationen

Autor:Johannes Süßmann Quelle:epd Datum:29-11-17
Schlagworte:
Leipzig, Martin Luther, Universitätskirche, Wiederaufbau, Neubau, Mehrfachnutzung

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