Zum Marburger Theatersommer bringt das Hessische Landestheater Marburg eine Uraufführung auf die Marktplatzbühne der Lutherstadt. „Wir sind Luther“ ist von Marc Becker als Auftragswerk für das Theater geschrieben worden und wird auch vom Autor inszeniert. Dabei steht die heutige Bedeutung des Reformators im Mittelpunkt und auch der Prozess seiner Legendenwerdung: Wie feiern wir 500 Jahre Reformation? Warum ist Luther eine Playmobil-Figur, aber nicht beispielsweise Konrad Adenauer? Könnte jemand wie Luther auch heute existieren? Ist das nur Marketing oder steckt mehr dahinter? 

Auf der Bühne soll davon nun Luther selbst berichten – oder, genauer, ein Chor aus mehreren Luthers. Der ist so vielfältig wie die Interpretationen, die sich um das Leben des Reformators und vor allem dessen Wirkung drehen. Hier folgt die Aufführung dem Motto „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“ Becker nähert sich dem Reformator mit Musik – komponiert vom musikalischen Leiter des Hessischen Landestheaters, Christian Keul –, absurdem Humor und rasantem Schauspiel. Nicht nur Luthers Verdienste wie die Abschaffung des Ablasshandels oder die Bibelübersetzung stehen im Mittelpunkt, sondern auch der umstrittene Luther mit seinem Antisemitismus und der oft bedingungslosen Unterstützung der weltlichen Obrigkeit sind Thema. 

Bereits zum siebenten Mal wird der Marburger Marktplatz damit zur Bühne für das Hessische Landestheater. Dabei sind auch wieder die „Wilden Schwäne“ – Projekte, die nicht nur Schauspiel sind, aber zum Theater dazugehören: skurril-poetisch, frech-politisch, lokal und international. So finden Diskussionsrunden zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen, Theaterstücke in szenischer Lesung, unplugged Musikprogramme, Lyriklesungen Marburger Dichter und Dichterinnen und vieles mehr mitten in Marburg statt.

Marburg spielte in der Reformationszeit eine wichtige Rolle und ist wohl die einzige Stadt, die sich gleichzeitig Luther- und Zwinglistadt nennen kann. Zwei Jahre nach der Gründung der Marburger Universität im Jahr 1527 fand auf dem Marburger Schloss die wohl bedeutendste Theologenversammlung der Reformationszeit statt. Auf Einladung des hessischen Landgrafen trafen sich hier im Oktober 1529 Martin Luther, Huldrych Zwingli, Philipp Melanchthon, Johannes Oekolampad, Martin Bucer und weitere Persönlichkeiten der reformatorischen Bewegung zum sogenannten Marburger Religionsgespräch. Das Ziel der Versammlung – den Streit zwischen Luther und Zwingli über das rechte Verständnis des Abendmahls beizulegen – wurde zwar verfehlt, aber die 15 sogenannten Marburger Artikel sind das einzige Bekenntnisdokument, das von Luther und von Zwingli gemeinsam unterzeichnet wurde.