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Luthers Wagen-Bauer

Der „Kobelwagen“ auf der Wartburg. (Bild: epd-bild/Maik Schuck)

Nur ein historischer Kupferstich diente als Vorlage: Der Braunschweiger Stellmacher Theo Malchus hat den Wagen nachgebaut, mit dem Martin Luther vor 500 Jahren reiste. Das Gefährt ist bei der Nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg zu sehen.

Einst reiste der Reformator Martin Luther mit einem hölzernen Wagen mit Lederplane durch die Lande. „Es war sicherlich ohne Federung sehr hart zu fahren“, schmunzelt der Braunschweiger Stellmacher Theo Malchus. Er hat den Wagen mit riesigen, eisenbeschlagenen Rädern in Handarbeit nachgebaut und persönlich zur Wartburg im thüringischen Eisenach gebracht. Der Wagen gilt als „Highlight“ der bevorstehenden Nationalen Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg vom 4. Mai bis zum 5. November.

Ausstellungsgäste können den Komfort testen

Auf der Wartburg soll das Modell in einem Innenhof für Besucher zugänglich sein, sagt der Projektleiter der Ausstellung, Marc Höchner. Die Ausstellungsgäste könnten sich in den Wagen setzen und nachempfinden, wie bequem oder unbequem der Reformator Hunderte von Kilometern von Pferden gezogen durch die Lande fuhr. Zu Luthers Stationen zählten unter anderem Magdeburg, Weimar, Torgau, Eisleben, Augsburg oder Heidelberg.

Für Malchus war vor allem die Recherche für das Projekt zunächst schwierig. Als einzige Vorlage für das Gefährt diente ein Kupferstich aus dem 16. Jahrhundert. Das Bild zeigt die vorgetäuschte Entführung Luthers auf die Wartburg am 4. Mai 1521. Unterstützer brachten den Reformator vor der Verfolgung des Kaisers in Sicherheit. „Man sieht im Hintergrund, wie der Wagen ungefähr ausgesehen haben könnte, aber man kann nicht viele Details erkennen“, sagt Malchus.

Fahrgestell eines päpstlichen Wagens

Erst mit Hilfe des Historikers Rudolf Wackernagel aus München erstellte der 56-Jährige dann vor einem Jahr eine Skizze für einen sogenannten Kobelwagen. Der Begriff lässt sich aus dem mitteldeutschen Wort „Kobel“ ableiten, der für einen Verschlag stand. Einen Entwurf für das Fahrgestell fand der Handwerker auf einer weiteren historischen Abbildung: Diese zeigt einen umgekippten Wagen eines katholischen Papstes, berichtet der Stellmacher mit einem Augenzwinkern.

Nabe des Wagens. (Bild: epd-bild/Maik Schuck)

Um den Wagen so originalgetreu wie möglich nachzubauen, suchte Malchus in ganz Deutschland nach Material. Das luftgetrocknete und bis zu 70 Jahre eingelagerte Eichen- und Eschenholz entdeckte er im Ammerland bei Oldenburg und in Schöppenstedt bei Wolfenbüttel. Die mehr als 100 Jahre alten Nabenringe für die Räder fand er bei einem Schlosser im Spreewald.

Eigentlich gelernter Kunststofftechniker

Malchus, der eigentlich gelernter Kunststofftechniker ist, hat sich in den 1990er Jahren den aussterbenden Beruf des Stellmachers selbst beigebracht. Mittlerweile fertigt er Gestelle für historische Automobile, Pferdewagen oder Eisenbahnwaggons für Kunden aus ganz Deutschland an. Den Luther-Wagen hat der Handwerker überwiegend mit historischen Werkzeugen gebaut. „Die Arbeitsweise im Mittelalter war eine ganz andere“, sagt er. So wurden die bis zu 1,60 Meter großen Räder mit Eisenstücken beschlagen und nicht, wie in späteren Jahrhunderten, ein Ring um das Holzgestell gelegt.

Die Beschläge aus Eisen wurden von einem Metalldesigner speziell angefertigt, betont Malchus, während er auf die schwarze, raue Oberfläche deutet. Öl wurde in das Metall eingebrannt, um ihm einen „mittelalterlichen Rostschutz“ zu geben. Ein Sattler nähte zuletzt per Hand aus Rindsleder eine Plane und für den Einstieg aus zwei Stufen noch einen Überwurf. Oft konnten somit noch zusätzliche Fahrgäste mitgenommen werden, sagt Malchus. „Sie saßen auf dem Wagenboden mit den Füßen auf den Stufen und dem Leder über den Knien und waren so vor Wind und Wetter geschützt.“

Sehr viel Handarbeit stecke in diesem Luther-Wagen, sagt Malchus mit gewissem Stolz. Weit mehr als 1000 Arbeitsstunden haben die Handwerker insgesamt in das 4,20 Meter lange und 2,60 Meter hohe Gefährt investiert. Abschließend äußert Malchus scherzhaft noch eine Vermutung: „Vielleicht hatten die damaligen Fahrgäste auch Kissen auf den Holzbänken liegen, um es bequemer zu haben.“

Informationen

Autor:Charlotte Morgenthal Quelle:epd Datum:21-04-17
Schlagworte:
Wagen, Luther, Nachbau, Reformation, Nationale Sonderausstellung, Wartburg

Wartburg Eisenach

Luthers Aufenthalt auf der trutzig oberhalb von Eisenach gelegenen Wartburg war nicht lang und nicht ganz freiwillig. Vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 lebte Martin Luther dort in einer bescheidenen Zelle.

Nationale Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017

Einen bedeutenden Höhepunkt stellen die drei Nationalen Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017 dar, die in der Lutherstadt Wittenberg, auf der Wartburg in Eisenach und in Berlin gezeigt werden. Sie sind ein zentraler Beitrag der staatlichen Träger im Festjahr 2017, um in einzigartiger Weise an dieses herausragende Ereignis zu erinnern.