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Der Reformator bleibt seiner Überzeugung treu In Marburg konnten sich Luther und Zwingli nicht über das Abendmahl einigen

1529 kam der bekannteste Mann Europas an die Lahn: Martin Luther nahm auf dringenden Wunsch des hessischen Landgrafen Philipp am Marburger Religionsgespräch teil. Aber eine Einigung scheiterte.

Eckhaus an der Barfüsserstrasse
Eckhaus an der Barfüsserstrasse und Schneidersberg in Marburg mit einem Schild „Hier wohnte Dr. Martin Luther 1529“ (Bild: Norbert Neetz / epd-bild)

Über diese Brücke soll Luther über die Lahn gekommen sein, mit seinem ganzen Tross. In der Ferne lässt sich zwischen zwei Bergwipfeln noch die Schneise erahnen, damals der einzige Weg von Osten nach Marburg. Es war der 30. September 1529. Ein wichtiger Termin stand an: Der Reformator sollte seinen Kontrahenten Ulrich (Huldrych) Zwingli treffen, auf dringenden Wunsch des hessischen Landgrafen Philipp. „Man weiß: Luther ist aus seiner Kutsche ausgestiegen“, erzählt Christoph Becker: „Die Marburger haben sich die Augen ausgeguckt. Denn Luther war der bekannteste Mann Europas.“

Luther wollte nicht nach Marburg 

Christoph Becker, Pferdeschwanz und Hut, ist Historiker und Schriftsteller, er schreibt historische Krimis. Jetzt begleitet er zwei Jahre lang für die Stadt Marburg das Reformationsjubiläum 2017. Er hat ein Buch über die Stadt und die Reformation geschrieben, mit vielen Anekdoten aus dem Alltag. Marburg rechnet mit vielen Besuchern. Am 31. Oktober 1517, vor 500 Jahren, veröffentlichte Luther in Wittenberg seine 95 Thesen – der Tag symbolisiert den Beginn der Reformation, in der Marburg eine zentrale Rolle spielte.

Christoph Becker,
Christoph Becker, Historiker und Schriftsteller, ist zwei Jahre lang bei der Stadt Marburg beschäftigt, um das Reformationsjubiläum 2017 zu begleiten (Bild: Norbert Neetz / epd-bild)

Luther ging an diesem Septembertag 1529 den steilen Weg hinauf in die Stadt, über den Marktplatz, zu einem Eckhaus, an dem heute ein Schild hängt: „Hier wohnte Dr. Martin Luther 1529.“ Becker lacht. „Man könnte drunter schreiben: für vier Stunden.“ Denn der Reformator zog sich in dem Gasthaus nur um und eilte weiter, hoch ins Schloss, wo ihn der Landgraf erwartete. Und sein Kontrahent Zwingli.

Bis zum 4. Oktober blieben die Reformatoren auf dem Schloss. Versammelt war die theologische Elite der Zeit: Luther, der mit Philipp Melanchthon aus Wittenberg angereist war, Zwingli aus Zürich und Martin Bucer aus Straßburg, Justus Jonas aus Sachsen, weitere Theologen, weltliche Ratsherren und Militärs.

Luther und Zwingli trennte ein heftiger Streit um die Auslegung des Abendmahls: Für Luther war Christus real gegenwärtig in Brot und Wein, für Zwingli bedeuteten Brot und Wein symbolisch den Leib und das Blut Christi. „Luther wollte gar nicht nach Marburg kommen“, sagt Historiker Becker. „Er fürchtete, dass er verlieren konnte.” Aber Landgraf Philipp, eine politische Kraft hinter der Reformation, bestand auf dem Treffen. „Philipp war durch und durch Machtmensch“, sagt Becker. „Er war der zweite Landesfürst, der in seinem Land die Reformation eingeführt hat.“ Und er hatte 1527 die erste protestantische Universität der Welt gegründet.

Wandgemälde des Religionsgespräches
Das Wandgemälde des Religionsgespräches zwischen Luther und Zwingli in der alten Aula Marburger Universität (Bild: Norbert Neetz / epd-bild)

Das Marburger Religionsgespräch

Auf dem Schloss ging es sehr laut zu. Die Kontrahenten wohnten teilweise im selben Zimmer. Die Diskussionen in der Fürstenwohnung wurden auf Deutsch und auf Latein geführt, es gab eine Redeordnung, Treffen unter vier Augen, ein Abschlussgespräch.

Philipp zwang die Reformatoren, sich in so vielen Punkten wie möglich zu einigen. Doch eine Einigung scheiterte am Ego Luthers. „Er hat auf stur gestellt“, sagt Becker. Es gab zwar eine Abschlusserklärung mit 15 Artikeln, doch in der entscheidenden Abendmahlsfrage blieben die Differenzen.

Stiegen führen hoch zum Schloss, Fachwerkhäuschen schmiegen sich an den Berg. Auf dem Marktplatz sitzen Touristen beim Kaffee in der Sonne, sie sprechen deutsch, englisch, holländisch. 1529 lebten nur 3.500 Menschen in der Stadt. In den Hinterhöfen waren die Schweineställe, Fäkalien wurden über die Gosse entsorgt oder den Schweinen verfüttert. „Hier wollen wir eine ,Stinkstation’ aufbauen“, sagt Becker und deutet auf eine dunkle Ecke hinter der Lutherischen Pfarrkirche. Der Plan für das Marburger Jahr zum Reformationsjubiläum steht. „Wir wollen das 16. Jahrhundert lebendig werden lassen”, erklärt Kulturamtsleiter Richard Laufner.

Am Fronleichnams-Wochenende im Juni 2017 ist eine Zeitreise geplant. In der „Stinkstation” soll es so riechen wie damals. Ein Schauspieler trägt Tischreden Luthers vor, es gibt eine Armenspeisung, ein Pfarrer braut Bier. Das ganze Jahr über sind in Zusammenarbeit mit Universität und Kirchen Ausstellungen, Tagungen und ein Lutherstück im Landestheater vorgesehen.

Luther reiste am 5. Oktober aus Marburg ab. Das – im Grunde ergebnislose – Religionsgespräch ist noch heute bekannt. „Es hat was Folkloristisches“, findet Becker. Religionsgeschichtlich war es ein entscheidender Schritt zur Trennung zwischen lutherischen und reformierten Protestanten.


Informationen

Autor:Stefanie Walter Quelle:epd Datum:12-09-16
Schlagworte:
Martin Luther, Marburg, Marburger Religionsgespräch,

Leben & Wirken

In seinem Leben wandelte sich Martin Luther vom Mönch zum Reformator. Seine 95 Thesen gegen den Ablass in Wittenberg markieren den Beginn der Reformation.

1529: Das Marburger Religionsgespräch

Oktober 1529: Martin Luther und Huldrych Zwingli begegneten sich in ihrem Leben nur ein einziges Mal. Doch bevor es zu dem historischen Treffen kam, bekämpften sie sich in vielen Schriften. Hauptstreitpunkt: die unterschiedlichen Auffassungen über die Handhabung des Abendmahls. 1529 trafen sich beide zum Marburger Religionsgespräch.

Marburg

Auf dem Marburger Schloss fand 1529 die wohl bedeutendste Theologenversammlung der Reformationszeit statt.