Zu Luthers Zeit gab es Grund genug, sich mit der Wirtschaft und dem Geld zu befassen, denn damals entstanden die ersten großen Handelsgesellschaften, wie die der Fugger und Welser, die weltweite Handelsbeziehungen knüpften – gleichsam eine frühe, erste Form der Globalisierung. In dieser Zeit wurde außerdem die Naturalwirtschaft endgültig von der Geldwirtschaft abgelöst, und es entstand eine frühe Form des Bankwesens. Dabei spielte die Frage des Zinsnehmens eine zentrale Rolle. Dies ist ja in der Bibel verboten (2. Mose 22,24; 3. Mose 25,36), stellt aber zugleich eine wesentliche Voraussetzung für Geldgeschäfte dar.
Martin Luther hat nicht nur in Predigten zu wirtschaftlichen Fragen Stellung bezogen, sondern mehrere Schriften veröffentlicht, in denen er sich speziell mit solchen Themen befasst hat: Schon 1520 schrieb er den kleinen und den großen „Sermon vom Wucher“ und äußerte sich auch in seinem fast gleichzeitig erschienen Buch „An den christlichen Adel deutscher Nation“ zu solchen Fragen. Ausführlich behandelte er das Thema wenige Jahre später in „Von Kaufshandlung und Wucher“ (1524) und kam auch sonst gelegentlich auf das Thema zurück.
Luther überließ Geldgeschäfte lieber seiner Frau
So aktuell die wirtschaftlichen Fragen damals auch waren, so wenig war Luther von seinem Werdegang her darauf vorbereitet. Als Bettelmönch hatte er Armut gelobt und lebte im Kloster ohne eigenes Geld – und damit ohne Verantwortung für den Umgang mit Geld. Die wirtschaftlichen Fragen gingen ihn persönlich nichts an und sie interessierten ihn auch nicht. Selbst später, nachdem er das Kloster verlassen und einen eigenen Hausstand gegründet hatte, überließ er die Geldgeschäfte lieber seiner Frau Katharina, die das Geld der Großfamilie Luther geschickt verwaltete.
Luther musste sich aber dennoch zu diesen Fragen äußern, weil er dazu von Gemeindegliedern um Rat gefragt wurde. Antwort auf die Fragen des Besitzes und des Wirtschaftens gab er als Theologe auf theologische Weise: Er sah hier den Gottesglauben unmittelbar berührt und herausgefordert. Gott war für ihn der oder das, worauf sich der Mensch ganz und gar verlassen sollte und konnte, worauf er sein Leben und Vertrauen gründete. In der Auslegung des ersten Gebotes schreibt er demnach im Großen Katechismus: „Denn die zwei gehören zusammen: Glaube und Gott. Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässt, das ist eigentlich dein Gott.“
Luther beobachtet jedoch: „Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verlässt und brüstet sich darauf so steif und sicher, dass er auf niemand nichts gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißt Mammon, das ist, Geld und Gut, darauf er alle sein Herz setzt, welchs auch der allergemeinste Abgott ist auf Erden.“
Haben, als hätten wir nicht
Was Luther hier anprangert, ist gar nicht der Besitz von Geld oder Gut, sondern das falsche Vertrauen des menschlichen Herzens darauf. Das erhebt den Besitz für sich zum Gott und verlässt sich so darauf, als ob es mit dem Geld das gefunden hätte, was es am nötigsten braucht, womit es gesichert, geborgen und völlig versorgt sei. Auf den irdischen Besitz jedoch, so warnt Luther, sollen wir unser Herz nicht hängen, ihn sollen wir verwenden und verwalten und haben, „als hätten wir ihn nicht“ (1. Korinther 7, 29-31). Wir sollen demnach den Besitz nicht in einem falschen Armutsideal wie die Bettelmönche völlig verlassen und verwerfen, sondern dürfen ihn gebrauchen, für uns und andere.