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Wie Luther zu seinem Hammer kam

Federzeichnung von Luthers Thesenanschlag mit dem Hammer, 1717, Dänemark. (Bild: epd-bild/Landesarchiv Thüringen)

Während Bilder und Filme Luthers Thesenanschlag von 1517 gern mit einem Hammer zeigen, meint die Fachwelt: Damals wurde eher angeklebt, nicht angenagelt. Das Werkzeug soll erst mit 200 Jahren Verspätung gekommen sein – und zwar aus Rom. Das meint zumindest der Jenaer Kunsthistoriker Joachim Ott.

Hat er die Thesen mit dem Hammer angeschlagen oder hat er nicht? Für Luther-Experten ist die Frage längst geklärt und anerkannt, dass der Hammer erst später zu den 95 Thesen kam. Doch der Mythos vom hammerschwingenden Reformator Martin Luther hält sich mindestens so stark im kollektiven Bewusstsein wie der ominöse Tintenfleck auf der Wartburg. Ein einfaches „So war das nicht“ bleibt ohne tiefere Wirkung.

Das ist auch kaum Zufall. Gleich hinter der Lutherstube auf der Wartburg treffen die Besucher auf ein Bild von 1872, das Luther vor der Wittenberger Schlosskirche im Kreise seiner Anhänger zeigt. Der Hammer in seiner Hand weist auf die Kirchentür.

Woher kommt der Hammer?

Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dürfte die Hochzeit des Luther-Hammerkultes liegen, nicht zuletzt auch als der Ausdruck einer zwar jungen doch wehrhaften und selbstbewussten Nation, sagt der Jenaer Kunsthistoriker Joachim Ott. Den Leiter der Sondersammlungen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena beschäftigt seit Langem die Frage: Wenn historisch gar kein Hammer zum Einsatz kam, wie und wann kam Luther zu seinem Werkzeug?

Ausschnitt aus der Federzeichnung. Eine Figur mit Hammer und die Worte „sola fide“ sind deutlich zu erkennen. (Bild: epd-bild/Landesarchiv Thüringen)

Ein Tipp aus Gotha brachte Ott auf eine entscheidende Spur. Bei der Auswertung von Zuarbeiten für eine Festschrift zum 200. Reformationsjubiläums war der Luther-Experte Daniel Gehrt im Staatsarchiv auf eine bislang unbekannte Darstellung des hämmernden Reformators gestoßen. Im Nachlass des Gothaer Bibliothekars und Theologen Ernst Salomon Cyprian (1673–1745) fand er unter Hunderten anderen Schriftstücken einen Brief eines dänischen Bischofs.

Darin schildert dieser die Feierlichkeiten zum 200. Reformationsjubiläum in Aalborg – inklusive einer Zeichnung, die ein 1717 im Aalborger Rathaus ausgestelltes Schaubild wiedergibt. Darauf ist neben vielerlei Hinweisen auf Luthers Leben in der unteren rechten Ecke auch ein Mann mit einem Hammer zu entdecken.

Schon 1719 als Kupferstich vervielfältigt 

Cyprian ließ das 24 mal 19 Zentimeter große Bild in Kupfer stechen und veröffentlichte es 1719 in der Festschrift „Hilaria Evangelica“. Doch obwohl das Buch heute in fast allen Barock-Bibliotheken steht, hatte es die Wissenschaft aus den Augen verloren. Joachim Ott nahm es nun genauer unter die Lupe und suchte gezielt nach weiteren Hinweisen auf Luther und den Hammer.

Mit Erfolg: Zweimal wurde er inzwischen fündig. Auf bereits bekannten Abbildungen einer Medaille und eines weiteren, inzwischen verloren gegangenen Schaubildes aus Augsburg konnte er Reformator und Werkzeug erkennen. Offensichtlich sei auf beiden Darstellungen dieses besondere Motiv bisher entweder übersehen oder nicht richtig gewürdigt worden, erklärt sich Joachim Ott die Wiederentdeckung.

Darstellung der konstantinischen Petersbasilika. Die Rekonstruktion zeigt entgegen der Beschriftung den Bauzustand zwischen 1483 und 1506. (Bild: H.W. Bremer, 1891)

Dreimal ein Hammer – zur gleichen Zeit in verschiedenen Regionen Europas veröffentlicht –, das könne kein Zufall sein, meint der Wissenschaftler. In den vergangenen Monaten entwickelte er seine These, wie Luther zu seinem Hammer kam.

Die führt ihn nach Rom. Dort hatte der als besonders eitel geltende Kardinal de Bouillon 1700 den erkrankten Papst Innozenz XII. vertreten dürfen. Mit einem Hammer riss er die Mauer zur Heiligen Pforte der Peterskirche ein, die außer zu Beginn der sogenannten Jubeljahre verschlossen war, erklärt Joachim Ott. Von diesem historischen Ereignis ließ er dann unter anderem Medaillen prägen, um der Welt von dem so wichtigen Vorgang zu berichten.

Römischer Ursprung der Hammerdarstellung?

Allerdings sei das Marketing in eigener Sache eher nach hinten losgegangen. Halb Europa soll sich damals über den Kardinal mit dem Hammer lustig gemacht haben. Auf seine Weise könnte der Zeichner des Aalborger Bildes diesen Spott in sein Bild aufgenommen haben. Nicht ungewöhnlich für die Auseinandersetzungen dieser Zeit, als es zwischen Katholiken und Protestanten heftig zur Sache ging, meint der Jenaer Kunsthistoriker.

Zudem steht aus seiner Sicht für die römische Herkunft auch das Gotteshaus auf der Zeichnung. „Es gleicht überhaupt nicht der Wittenberger Schlosskirche“, findet er. Schon eher der Peterskirche in Rom in deren damaligem Zustand.

Ein alles erklärender Beweis mag das noch nicht sein. Doch in Jena und Gotha wollen sie weitersuchen. Im Spätherbst soll die Herkunft des Hammers auch im Lutherjahrbuch 2017 beleuchtet werden. Vielleicht wissen die Thüringer Forscher dann auch schon wieder mehr.

Informationen

Autor:Dirk Löhr Quelle:epd Datum:14-09-17
Schlagworte:
Thesenanschlag, Martin Luther, Reformationsjubiläum, Hammer, Rom, Jena, Kunsthistoriker

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