Bilderproduktion und Bildersturm
Die aufkommende Reformation erkannte die Kraft des Visuellen. Der falsche und richtige Gebrauch der Bilder in der Verkündigung war ein Streitpunkt, auch unter den großen Reformatoren. Martin Luther gehörte zu den Gemäßigten unter den Bildkritikern. Für ihn waren Bilder als pädagogisches Mittel sinnvoll. Anders Andreas Bodenstein von Karlstadt, Ulrich Zwingli und Johannes Calvin, sie urteilen strenger als Luther. Der reformatorische Bildersturm, vergleichbar mit den barbarischen Kulturzerstörungen durch den sogenannten Islamischen Staat in der heutigen Zeit, vernichtete tausende hervorragende Altäre, Gemälde, Skulpturen und Kirchenfenster.
Spannend ist zu sehen, dass die Reformation, die den Bildersturm zu verantworten hat, selbst eine Bilderflut auslöste. Martin Luther ist die am häufigsten bildlich dargestellte Person der deutschen Geschichte. Lucas Cranach d. Ä. schuf 1520 das erste Portrait des Reformators. Von da an hat die bildnerische Darstellung Martin Luthers jede bis dahin gekannte Grenze gesprengt. Kein weltlicher Herrscher der damaligen Zeit hat auch nur eine entfernte visuelle Präsenz wie Luther. Luther als Mönch, als Junker Jörg, als Ehemann, als Professor, als Kirchenvater, abgebildet in Druckschriften, auf Gemälden, Grafiken, Medaillen, Teller, Tassen, Gläsern. Das geht fünf Jahrhunderte weiter, bis heute.
Die bildnerische Lutherverehrung und Lutherverdammung lagen bereits zu Beginn der Reformation eng beieinander. In der Radierung „Lutherus triumphans“ aus dem Jahre 1569 hält Martin Luther Papst Leo X. triumphierend die geöffnete Bibel entgegen. Der durch die Reformation geschwächte Papst muss auf dem Druck von seinen Anhängern gestützt werden. Doch auch die Gegner der Reformation bedienten sich der bildnerischen Darstellung um ihren Spott zu verbreiten. Im Holzschnitt von Abraham Nagel „Der Ketzerbaum“ aus dem Jahre 1589 wird Martin Luther mit sieben Köpfen als Stamm des Baumes dargestellt. In den Wurzeln wimmelt es von Höllentieren und dem Teufel. Im Baum selbst wird Luthers Lebenswandel und die Zerstrittenheit der Reformatoren heftig karikiert.