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Mutige Frauen – Mit der Reformation geriet die männliche Vorherrschaft ins Wanken

Fürstin Elisabeth von Calenberg-Göttingen. Ausschnitt eines Ölgemäldes. (Bild: Wikimedia Commons/Nationalmuseum Stockholm)

Das Risiko war groß. Trotzdem setzten sich vor 500 Jahren nicht nur Männer, sondern auch selbstbewusste Frauen für die Reformation der Kirche ein. Sie prägten eine weibliche Seite der Glaubensbewegung, wie die Lutherexpertin Sonja Domröse berichtet.

Wer die Diskussion und Beiträge zum Reformationsjubiläum 2017 verfolgt, könnte bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck haben, die Reformation hätten allein Männer vor 500 Jahren geprägt. Allenfalls Katharina von Bora, die Ehefrau Martin Luthers, findet in der öffentlichen Betrachtung statt. „Es gab aber noch mehr mutige Frauen, die am Beginn der Neuzeit ihre Glaubensüberzeugungen selbstverantwortlich und öffentlich vertraten“, sagt die Stader Pastorin und Luther-Expertin Sonja Domröse.

Luthers Vorstellung vom „Priestertum aller Gläubigen“ brachte das Rollenverständnis des ausgehenden Mittelalters ins Wanken. „Bis dahin galt: Die Ehefrau wirkte in der Regel im Haus, trat nicht öffentlich auf und war weithin von Bildung ausgeschlossen – gleichsam ein Wesen zweiter Ordnung“, blickt Domröse zurück. „Das Ideal war die Frau, die sich als Nonne im Kloster zu bewähren hatte.“ Luther bezog jedoch alle Getauften, ob Mann oder Frau, in seine Vorstellung ein. „Egal, ob Mann oder Frau“, betont Domröse, die in dieser Überzeugung einen wichtigen Türöffner für die spätere Ordination von Frauen in das Pastorenamt sieht – ein Weg, den sie Jahrhunderte später selbst gegangen ist. 

Neben adeligen Frauen spielten auch Frauen aus dem Bürgertum eine Rolle

In ihrem Buch „Frauen der Reformationszeit“ schildert sie in acht Biografien den weiblichen Einfluss auf die Reformation in Deutschland. Darin macht sie deutlich, dass Frauen in den Umbrüchen eine ganz eigene Rolle übernommen haben. Neben der Fürstin Elisabeth von Calenberg-Göttingen wird die Lebensgeschichte weiterer adeliger Frauen wie Argula von Grumbach und Ursula von Münsterberg erzählt. Auch Namen aus dem Bürgertum gehörten dazu. Unter ihnen setzten sich Frauen wie Katharina Zell und Ursula Weyda mit ihren Schriften für die neue evangelische Lehre ein. Die gelehrte Italienerin Olympia Fulvia Morata floh sogar aus Glaubensgründen in das Land der Reformation. Für alle galt: Wer sich für die Reformation einsetzte, ging ein hohes persönliches Risiko ein.

„Die männliche Vorherrschaft geriet ins Wanken, wo Frauen nur noch Gott als höchste Autorität für sich entdeckten und akzeptierten“, bilanziert Domröse. „Mit der Würdigung biblischer Frauengestalten nahmen die Streiterinnen der Reformationszeit den Kampf um ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche auf.“

Argula von Grumbach auf einer Portraetmedaille aus Blei, um 1520, von Hans Schwarz, Nürnberg. (Bild: akg-images / bilwissedition)

Frauen wie Argula von Grumbach kannten ihre Bibel ganz genau und wussten, wie Männer sie mundtot machen wollten – beispielsweise mit dem Apostel Paulus: „Das Weib schweige in der Gemeinde.“ Mit Flugschriften ging die Adlige aus Bayern dagegen an. 1523 und 1524 veröffentlichte sie zahlreiche Publikationen mit hohen Auflagen. „Sie wusste sich klug zur Wehr zu setzen. Das hat andere Frauen ermutigt“, sagt Domröse.

Am meisten beeindruckt ist die evangelische Theologin von Katharina Zell. Die Straßburgerin bezeichnete sich selbst als Kirchenmutter, veröffentlichte eigene Schriften, predigte bei Trauerfeiern und stellte sich schützend vor Glaubensflüchtlinge. Sie regte ein geistliches Amt für Frauen an und war sozial engagiert. „Sie lebte vor, wie eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern im Dienst der Kirche schon vor einem halben Jahrtausend hätte gestaltet werden können.“

Der Gedanke der Geschlechtergerechtigkeit wurde fallen gelassen

Im Verlauf der Reformation sei der Aufbruch der evangelischen Bewegung hin zu einer Geschlechtergerechtigkeit aber nicht weiter aufgenommen worden, bedauert Domröse. „Er wurde sogar teilweise aktiv zurückgedrängt.“ Trotzdem betont die Theologin das Engagement der reformatorischen Frauen: „Jede einzelne Biografie ist ein Beispiel dafür, wie Frauen sich immer wieder in herausfordernden geschichtlichen Ereignissen engagiert und bewährt haben.“

Im Werk des Reformators Martin Luther sind es vor allem drei Schriften, die sich mit der Beziehung zwischen Mann und Frau beschäftigen. Dabei geben sie ein uneinheitliches Bild ab. In der Schrift „Vom ehelichen Leben“ betont Luther die Gleichwertigkeit von Mann und Frau mit gleichen Rechten und Pflichten, beispielsweise bei der Sorge um das Kind und dem Windelwaschen. Gleichzeitig meint er aber, der Mann könne auch mit der Magd schlafen, falls ihm die Ehefrau den Sex verweigert. Überhaupt wünschte der Reformator lustvolle Sexualität und eine fruchtbare Ehe. Verhütung spielte keine Rolle. 

Nach dem „Traubüchlein“ von 1529 sollen Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib. Gleichzeitig wird Luthers Rollenverständnis deutlich: Die Frau gebärt die Kinder, der Mann arbeitet. Die Frauen sollen dem Mann auch durchaus untertan sein. Aber beide – Frau und Mann – sind zum Ebenbild Gottes geschaffen. Im Kommentar zur Genesis, der zwischen 1535 und 1545 entstand, schreibt Luther, es sei „heidnisch“ die Würde der Frau nicht zu ehren. Aber dort heißt es auch wieder, der Mann stehe über der Frau. Denn bereits Eva habe einen „schwächeren Sinn und Verstand“ als Adam gehabt. Allgemein sieht Luther die Aufgabenteilung eher klassisch: Die Frau managt das Haus. Außerhäusliche Herrschaft und Regierung steht allein dem Mann zu.

Informationen

Autor:Dieter Sell/luther2017.de Quelle:epd Datum:21-02-17
Schlagworte:
Frauen, Martin Luther, Reformation

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