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Buß- und Bettag: Umdenken ist Programm

Büßen und beten – für viele klingt das mittelalterlich. Dabei geht es um etwas, das jeder einmal braucht: Fehler eingestehen, seine Meinungen überprüfen, in einer Sackgasse die Kraft zum Neuanfang finden. Im persönlichen Leben wie in der Politik.

(Bild: geralt/pixabay)

Der Buß- und Bettag gilt den Protestanten traditionell als Tag der Umkehr und Neuorientierung. Und das ist durchaus auch politisch zu verstehen: „Die vielen tausend Menschen, die derzeit auf der Flucht vor Hunger, Terror und Verfolgung sind und die unter anderem Zuflucht in Deutschland suchen, führen uns vor Augen, wie viel Gewalt und Ungerechtigkeit es in der Welt gibt“, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum diesjährigen Buß- und Bettag (18.11.15). Das könne ein Datum sein, „an dem wir uns verpflichten, dass wir dieses Unrecht nicht länger gewillt sind hinzunehmen“.

Öffentlichkeitskampagne für den Buß- und Bettag

Er rief dazu auf, „unsere Energien darauf zu richten, dass nicht nur wir, sondern dass alle Menschen in Frieden und Freiheit leben können“. Zusammen mit der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck will die bayerische Landeskirche den Buß- und Bettag hochhalten und startet dazu seit einigen Jahren Öffentlichkeitskampagnen. Das diesjährige Plakatmotiv zur Aktion zeigt zum Gebet gefaltete Hände, darunter die Frage „Machtlos?“. Das Motiv ist im Internet, auf Flyern und in Zeitungsanzeigen zu sehen.

„Wer betet, findet auch die Sprache für Buße und die Kraft zum Neuanfang, im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen“, erläutert der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm, der an der Spitze des Rates der EKD steht: „Das Faszinierende an der Buße ist: Gerade da, wo wir anerkennen oder bekennen, dass wir in einer Sackgasse gelandet sind, geht es weiter. Das gilt für das persönliche Leben genauso wie in der Politik.“

Plakatmotive zur diesjährigen Öffentlichkeitskampagne für den Buß- und Bettag (Bild: www.ekkw.de)

Die Ängstlichen zur Hilfe ermutigen

Evangelische Gemeinden laden am Buß- und Bettag zu Gottesdiensten oder Andachten ein. Ob das politische Flüchtlingsthema in diesem Jahr auf den Kanzeln eine Rolle spielt, bleibt der Entscheidung des einzelnen Predigers überlassen. „Eine gute Predigt zum Buß- und Bettag muss inhaltlich klar sein und darauf hinweisen, dass es bei Buße nicht um ein Abbüßen von einzelnen Verfehlungen geht“, stellt der Praktische Theologe Reinhard Schmidt-Rost fest. Der Bonner Theologieprofessor ist Vorsitzender der Jury des Deutschen Predigtpreises und liest jedes Jahr viele hundert Predigten von Pfarrern, die sich um den Preis bewerben.

Bei der Buße gehe es um einen radikalen Sinneswandel, betont Schmidt-Rost. Eine gute Bußtagspredigt könne zum Beispiel an den „ganz vitalen Ängsten“ anknüpfen, „die jeden, der hierzulande in Ruhe und Frieden lebt, befallen, wenn er die Berichte von den Flüchtlingstrecks hört und liest“. Bestenfalls könne die Predigt dazu beitragen, „die Ängstlichen zur Hilfe zu ermutigen und die Mutigen in ihrem Tatendrang einen Moment innehalten zu lassen, um sich auf die Quelle ihrer Kraft zu besinnen“, sagt der Theologe. Die Botschaft zum Buß- und Bettag 2015 formuliert er so: „Denkt um, überprüft eure Einstellungen zum Leben, zum Nächsten, zum Fremden, zu Gott.“

Geschichte eines Feiertages

Schon beim ersten Buß- und Bettag hatte die Politik ihre Finger mit im Spiel: Es war im Jahr 1532, als man im evangelischen Straßburg erstmals zu einem Buß- und Bettag aufrief. Anlass war die sogenannte „Türkengefahr“, die Bedrohung des christlichen Abendlandes durch eine islamische Macht. Staatlich angeordnet sollte gegen die Kriegsgefahr gebetet werden. Diese politische Instrumentalisierung christlicher Frömmigkeit griff um sich: Im 16. und 17. Jahrhundert kam es zu einer regelrechten Inflation von Buß- und Bettagen. 1878 dann gab es in Deutschland 47 Bußtage an 24 Terminen.

Im Lauf der Geschichte ist der Buß- und Bettag von den einen als kulturpolitischer Kampftag betrachtet worden, von den anderen als Fest frommer Innerlichkeit. Offiziell als Feiertag eingeführt wurde er in Deutschland zur NS-Zeit, 1934. Aber schon fünf Jahre später verlegte die NSDAP ihn auf einen Sonntag – und schaffte ihn damit faktisch ab. Statt innere Einkehr zu halten, sollten die Arbeiter lieber in den Rüstungsfabriken schuften, fanden die Nazis.

Ab 1981 war der Buß- und Bettag am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag dann wieder in der ganzen Bundesrepublik Deutschland gesetzlicher Feiertag. Seit seiner Abschaffung im Jahr 1995 – zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung – ist er nur noch im Bundesland Sachsen gesetzlicher Feiertag. In Bayern haben immerhin Schüler und Lehrer schulfrei.

Informationen

Autor:Lothar Simmank Quelle:epd Datum:18-11-15
Schlagworte:
Feiertag, Buß- und Bettag, EKD, Reformation, Heinrich Bedford-Strohm

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