9.000 Briefe und 5.000 Gebete von Melanchthons Hand von Karsten Wiedener

Arbeits- und Sterbezimmer Melanchthons
(Foto: edp-Bild/Steffen Schellhorn)

(15. Februar 2013, epd): Niedrige Tische, Hocker, und aus der Wand ragt das letzte steinerne Relikt des ursprünglichen Kochherds: Hier hat die Familie von Philipp Melanchthon (1497-1560) gespeist. Die szenische Nachbildung ist im Wittenberger Melanchthonhaus zu sehen, das nach umfangreicher Sanierung und der Erweiterung durch einen Neubau von Samstag an wieder Besuchern offen steht. Dass der Raum im historischen Gebäude damals wirklich die Küche war, ist durch bauarchäologische Spuren belegt. Ausgestellt ist auch eine steinerne Tischplatte, bei der ein Monogramm belegt, dass Melanchthon daran gesessen hat.

In dem 1536 errichteten Haus hatte der Humanist, Theologe und Wegbereiter der protestantischen Bildung und enger Freund von Martin Luther mit seiner Familie gewohnt. Parallel zu den Bauarbeiten ist auch eine neue Dauerausstellung mit dem Titel "Philipp Melanchthon: Leben - Werk - Wirkung" entwickelt worden. Für die 390 Originalexponate hat sich die Grundfläche durch den modernen Anbau auf 600 Quadratmeter fast verdoppelt. Im Neubau herrschen für die kostbarsten Teile bessere konservatorische Bedingungen.

Schlafkammer für studentische Gäste – unbeheizt

So sind in einer "Schatzkammer" Handschriften aus dem 16. Jahrhundert zu sehen, darunter ein etwa 1548 verfasster Brief Melanchthons an den Rat der Stadt Halle. Zudem werden Holzschnitte aus der Cranach-Werkstatt, Büsten, Medaillen und kostbare Bibelausgaben gezeigt. Eine stattliche Anzahl von gut 9.000 Briefen sind von Melanchthon bekannt. Sein Briefwechsel soll damit umfangreicher als der aller anderen Wittenberger Reformatoren gewesen sein. Auch mehr als 5.000 Gebete von seiner Hand sind überliefert.

Die Besucher betreten auch eine Schlafkammer für Studenten, die bei Melanchthon wohnten - nicht beheizt und spärlich eingerichtet. Zu den weiteren Themen der Ausstellung gehören die Baugeschichte des Hauses, Melanchthons Weg 1518 nach Wittenberg, seine Lehren und auch sein Verhältnis zu Luther.

Reibeflächen zwischen Melanchthon und Luther

Der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Stefan Rhein, spricht auch von Reibeflächen zwischen Melanchthon und Luther, die aneinander gelitten hätten. Während Melanchthon sich von der Grobheit Luthers verletzt gefühlt habe, sei für Luther die Vorsicht und Zurückhaltung von Melanchthon ein ständiges Ärgernis gewesen.

Und üblich war in Melanchthons Haushalt ein frühes Mittagessen gegen 11 Uhr sowie ein Abendbrot als Hauptmahlzeit etwa 17 Uhr. Wer aber gekocht hat in der Familie, ist offen. Bemerkungen Melanchthons und seiner Freunde deuten darauf hin, dass seine Ehefrau Katharina keine begabte Köchin war. Jedenfalls wohnte auch mindestens eine Magd fest in dem Haus.