Skip to main content

Straßburg und die Reformation

Straßburg, das Elsass und Lothringen sind die einzigen Regionen in Frankreich, deren Kulturschätze seit bald fünfhundert Jahren von allen Perioden des Protestantismus zeugen können. 

Türme der „Gedeckten Brücken“, Teil der ehemaligen Stadtbefestigung am Eintritt der Ill in das Stadtzentrum
(Bild: pixabay/Raw2Jpeg)

Die Hauptstadt des Elsass hat eine lange europäische Geschichte im deutsch-französischen Kulturraum und war ebenso lange ein Zankapfel zwischen den beiden Nachbarn. Heute ist Straßburg Sitz zahlreicher europäischer Institutionen und steht stellvertretend für ein vereintes und demokratisches Europa. Wenn hier am 31. Oktober 2015 das Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ eröffnet wird, so wird nicht nur die Reformation als Weltbürgerin in den Blick genommen, sondern die Stadt auch als wichtiger Ort des Protestantismus gewürdigt. 

Schlüsselrolle bei der Verbreitung reformatorischer Ideen

Die Idee der Reformation fasste in der Stadt am Rhein und der umliegenden Region schon früh Fuß. Straßburg, damals noch freie Reichsstadt, war in vielem sogar ein Vorreiter der Reformation. Es gab hier eine relativ breite gebildete Schicht, die bereits mit den Ideen des Humanismus vertraut war. Die Menschen waren sensibilisiert für die Missstände im Klerus und dementsprechend aufgeschlossen für die reformatorischen Ideen.

Straßburg nahm bei der Verbreitung der reformatorischen Ideen in doppelter Hinsicht eine Schlüsselrolle in der Region zwischen Vogesen, Schwarzwald und Alpen ein. Einerseits gingen von hier theologische Impulse aus, die von eifrigen Gelehrten wie Wolfgang Capito, Kaspar Hedio oder Martin Bucer bis in die Kreise des Handwerkertums und Kleinbürgertums hineingetragen wurden. Prediger wie Mathias Zell, ein Priester des Münsters, zogen eine große Zuhörerschaft an. Als der Rat der Stadt Zells Auftritte auf der Kanzel des Münsters untersagte, bauten ihm die Schreiner der Stadt 1522 ein tragbares Modell, damit er das Wort Gottes unter die Menschen bringen konnte. Andererseits war Straßburg ein frühes und wichtiges Zentrum des Buchdrucks. Die bedeutendsten Buchdrucker der Stadt veröffentlichten in hohen Auflagen Flugschriften und reformatorische Abhandlungen. Unzählige Bücher gingen von hier in die Welt hinaus, wodurch sich die Gedanken der Reformatoren auch überregional rasch verbreiten konnten. 

Wie die Stadt Straßburg im Allgemeinen verbindet auch das Liebfrauen-Münster deutsche und französische Kultureinflüsse. (Bild: pixabay/jackmac34)

Reformatorische Impulse über das Elsass hinaus

Die Jahre zwischen 1523 und 1547 waren für die Straßburger Reformation eine ereignisreiche Zeit: Die bürgerliche Selbstverwaltung gewann gegenüber der Kirche an Macht. So setzte der Stadtrat etwa Gerichte ein, die über Eheangelegenheiten entschieden, und nicht mehr länger die Kirche. Auf Verlangen der Einwohnerschaft wurde die katholische Messe verboten. Ein Bildersturm fegte Gemälde, Statuen, Reliquien und sogar Kreuze aus den Kirchen, was zu etlichen Ausschreitungen mit den Handwerkern führte.

Straßburg entwickelte sich in dieser Zeit aber auch zu einem sicheren Zufluchtsort für evangelische Glaubensflüchtlinge aus ganz Europa. Insbesondere französische Protestanten, die vor den Repressalien in ihrer Heimat fliehen mussten, ließen sich hier nieder. Unter Leitung des Humanisten Johannes Sturm wurde 1538 die Hohe Schule gegründet. Die Straßburger Reformatoren, die dort lehrten, fanden Zulauf von Studenten, die teilweise von weither dem Ruf der Schule gefolgt waren. Durch sie und die vielen in Straßburg ansässigen Druckereien wurde das reformatorische Gedankengut weit verbreitet. 

In den 1530er Jahren wurde die Reformation Straßburgs regelrecht exportiert. Martin Bucer, der wichtigste Straßburger Reformator, wirkte vielerorts bei der Einführung der Reformation mit, darunter auch in Ulm und Augsburg. Er wurde sogar nach Hessen berufen, wo er die dortige Kirchenordnung verfasste. 1530 arbeitete Bucer zusammen mit Wolfgang Capito die Confessio tetrapolitana aus, ein eigenes evangelisches Glaubensbekenntnis, das die Stadt Straßburg zusammen mit Konstanz, Memmingen und Lindau auf dem Reichstag in Augsburg vorlegte. Dieses Glaubensbekenntnis beschritt bezüglich der Abendmahlsfrage einen theologischen Mittelweg zwischen der Lehre Luthers und Zwinglis – und wurde ebenso wie diese vom Kaiser abgelehnt.   

Das Zentrum der Stadt mit seinen zahlreichen Fachwerkhäusern zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe (Bild: jackmac34)

Spuren der Reformation – auch heute noch 

Noch heute ist das reformatorische Erbe in Straßburg an vielen Orten präsent. Das Zentrum der Stadt mit seinen zahlreichen Fachwerkhäusern und dem Straßburger Münster zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und lädt dazu ein, die Spuren der Reformation zu entdecken. In der Thomaskirche, der evangelischen Hauptkirche Straßburgs, hat einst Bucer gepredigt. Später rettete Albert Schweitzer die historische Orgel von Johann Andreas Silbermann und spielte darauf selbst viele Konzerte um sein Hospital in Lambarene zu finanzieren. Noch heute findet auf Anregung Schweitzers jedes Jahr an dem Todestag von Johann Sebastian Bach, um 21 Uhr, ein Konzert statt. Die Wandmalereien in der Jungen St. Peter Kirche, eines der ergreifendsten Gebäude der Stadt, erwecken die mittelalterliche Epoche zu neuem Leben. In Straßburg befindet sich auch das Institut für Ökumenische Forschung des Lutherischen Weltbunds, das regelmäßig Seminare zu aktuellen Fragestellungen der Ökumene anbietet.

Informationen

Autor:Michael Achhammer Quelle:reformation-cities.org/Deutschlandfunk Datum:19-10-15
Schlagworte:
Reformation, Lutherdekade, Reformation und die Eine Welt, Themenjahr 2016, Straßburg

Themenjahr 2016

Am Vorabend des Reformationsjubiläums werden die globalen Prägekräfte im Mittelpunkt stehen.