Für evangelische Christen war Würzburg nicht immer ein gutes Pflaster. Erst das sogenannte Toleranzedikt im Jahr 1803 schuf die Grundlage für gleiche Rechte der Konfessionen in der früheren Residenzstadt der katholischen Fürstbischöfe. Auch Evangelische konnten nun Bürgerrechte erwerben und waren den Katholiken gleichberechtigt. Die Protestanten blieben in Würzburg stets in der Minderheit – und trotzdem spielt das evangelische Würzburg für die Gründung der heutigen bayerischen Landeskirche eine wichtige Rolle. Entscheidende Impulse für die moderne Kirchenstruktur kamen von dort, die Stadt gilt daher als „Keimzelle“ der Landeskirche.
Auf historischen Pfaden
Wenn sich ab dem 30. April die 12. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei ihrer Tagung in Würzburg konstituiert, bewegen sich die Synodenmitglieder zwangsläufig auch auf diesen historischen Pfaden. Denn die Verpflichtung der EKD-Synodalen findet in der Dekanatskirche St. Stephan statt – einer früheren katholischen Klosterkirche, die 1803 zum ersten evangelischen Gotteshaus der Stadt wurde. Ein Jahr später wurde in der Gemeinde der vermutlich erste Kirchenvorstand in Bayern gebildet, knapp 50 Jahre bevor die Kirchenvorstände in der späteren bayerischen Landeskirche offiziell als Gremien eingeführt wurden. Der frühere Würzburger Dekan Martin Elze schrieb in einer Festschrift über 200 Jahre Evangelische in Würzburg, dass die Stadt„mit guten Gründen“ als „Keimzelle“ der Landeskirche bezeichnet werden kann. St. Stephan sei nämlich die „erste neue evangelische Gemeinde“ im damaligen Kurfürstentum gewesen – und in Würzburg entstand das „bayerische Konsistorium“, das die Voraussetzungen für die einheitlich verfasste evangelische Kirche in Bayern geschaffen hat, argumentierte Elze. Zudem wurden in Würzburg die Vorarbeiten für das Religionsedikt von 1818 geleistet – es gilt als Gründungsurkunde der Landeskirche.
„Teil eines größeren Ganzen“
Dass die evangelischen Synodalen in Franken – und damit im Freistaat – tagen, sollen sie nach Meinung der bayerischen Protestanten durchaus auch merken. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern biete den Synodalen einen „kleinen Vorgeschmack darauf, wie schön es in Bayern ist und wie sehr die bayerische Gastfreundschaft synodale Beratungen beflügelt“, sagt Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel. Die verbundene Tagung der Kirchenparlamente der EKD, lutherischen und unierten Kirchen im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg ist für Regionalbischöfin Gisela Bornowski ein gutes „Zeichen dafür, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind“ und dass die EKD in ihren Mitgliedskirchen gut verortet sei.