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Was die Briten ärgert: Stuttgarts Landesbibliothek besitzt die älteste englische Bibel

Eine Ausgabe in Tamilisch? Kein Problem. Oder doch lieber die Gutenberg-Bibel? Auch da. In der Württembergischen Landesbibliothek findet sich die größte deutsche Bibelsammlung – und die drittgrößte der Welt.

Christian Herrmann, Abteilungsleiter in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart, präsentiert die Lutherbibel von Herzog Ludwig von Württemberg (Bild: epd-bild)

„Ich habe da ein schönes Stück mit Landesbezug.“ Zielsicher geht Abteilungsleiter Christian Herrmann durch die vollen Regale im Archiv der Landesbibliothek Württemberg und greift nach einem großen Buch mit schmuckem Ledereinband. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, und doch ist der Band gut in Schuss. „Das ist die erste Lutherbibel, die in Württemberg für Württemberg gedruckt wurde, und zwar 1591 in Tübingen.“ Und nicht nur das: Es ist das Handexemplar von Herzog Ludwig von Württemberg, „dem Frommen“. Die Holzschnitte sind prachtvoll koloriert, die Seiten mit Goldschnitt verziert, Titelblatt, Handschrift und Porträt des Herzogs schmücken die ersten Seiten. „Ein Unikat“, sagt Herrmann.

Früheste englische Bibel in Stuttgart

Unikate gibt es einige im Keller der Landesbibliothek Württemberg. Rund 20.000 Exemplare dokumentieren die Geschichte des Buchs der Bücher – von der ersten Gutenberg-Bibel aus dem Jahr 1454 bis zur jüngsten Neuzeit. Kunstvoll verzierte Druckwerke sind genauso darunter wie kleinformatige Handexemplare für den einfachen Bürger und Ausgaben in mehr als 650 Sprachen. Bei konstanten 18 Grad Celsius und 55 Prozent Luftfeuchtigkeit warten sie darauf, erforscht zu werden.

Deutschlands größte Bibelsammlung ist zugleich die drittgrößte der Welt, erklärt Herrmann. Die beiden größeren sind in England zu finden, und zwar in der British Library in London und in der Universitätsbibliothek in Cambridge. Und doch gibt es immer wieder mal Anfragen aus Großbritannien bei der Stuttgarter Einrichtung, die derzeit für rund 52 Millionen Euro erweitert wird. „Wir haben das einzige, vollständig erhaltene Exemplar der frühesten englischen Bibel von 1526“, sagt Herrmann, und setzt mit schelmischem Augenzwinkern hinzu: „Was die Engländer sehr ärgert.“ Dafür gebe es in seinem Haus in der Zeit danach noch einige Lücken, die der 48-Jährige gern füllen würde.

Das Handexemplar von 1591 ist mit kolorierten Holzschnitten verziert und zeigt auf den ersten Seiten Handschrift und Porträt des Herzogs (Bild: epd-bild)

Stadt der Bibeln

Die umfangreiche Sammlung der Landesbibliothek begründet neben bekannten Bibelverlagen und dem neuen Bibelmuseum den Ruf Stuttgarts als Stadt der Bibel. Den Grundstock schuf Herzog Carl Eugen bereits Ende des 18. Jahrhunderts. Wesentlich war sein Erwerb von zwei großen Sammlungen – der des Kopenhagener Pastors Josias Lorck (1723-1785) mit mehr als 5.000 Bänden und der des Nürnberger Pfarrers Georg Wolfgang Panzer (1729-1805) mit 1.645 Exemplaren. Viele der heute vorhandenen Bände stammen aber auch von Übernahmen institutioneller Bibliotheksbestände, etwa aus den nach 1803 säkularisierten Klöstern. Die wertvollsten Stücke lagern im Tresor und haben einen bis zu siebenstelligen Wert.

Natürlich tut die Bibliothek ebenfalls einiges, damit die Sammlung wächst. Zu den bedeutendsten Einzelankäufen gehört der Erwerb einer Gutenberg-Bibel mit Baden-Württemberg-Bezug im Jahr 1978. Selbst auf Reisen sind Herrmann und ein Kollege immer auf der Pirsch nach ausgefallenen Bibeln für die Einrichtung. Und dank der in Stuttgart und Freiburg ansässigen Bibelverlage trägt auch das vorgeschriebene Pflichtexemplar der im Land erscheinenden Werke zum Wachstum der Sammlung bei.

International gefragt

Nicht nur Engländer haben ihr Augenmerk auf die Stuttgarter Sammlung geworfen. Anfragen gibt es häufig – von Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern, die zur Kultur- und Buchgeschichte forschen, aber auch von Institutionen oder bibliophilen Privatpersonen. Herrmann selbst liebt es ebenfalls, die große Sammlung unter immer wieder neuen Fragestellungen zu durchforsten. Stadtansichten in Bibeln ist er bereits auf den Grund gegangen.

Für die Zukunft liebäugelt er damit, zu erforschen, wie sich die Illustrationen mit der Zeit und dem Sprachraum verändert haben. Auch Luther-Darstellungen in den Bibeln würde er gern ergründen. Der 48-jährige bekennende Christ schwärmt: „Es ist der Traumberuf schlechthin. Ich darf im Dienst das machen, was ich auch als Hobby gern gemacht hätte.“

Informationen

Autor:Wenke Böhm Quelle:epd Datum:29-10-15
Schlagworte:
Reformation – Bild und Bibel, Martin Luther, Bibelübersetzung, Stuttgart

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