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Notizen aus ... Finnland Ein Gastbeitrag von Katariina Ylikännö, der Projektkoordinatorin für Reformationsjubiläum 2017 in Turku

Der aktuelle Beitrag der Kategorie „Notizen aus ..." führt dieses Mal nach Finnland, genauer, in die Reformationsstadt Turku. Die Stadt an der südfinnischen Küste bereitet sich derzeit intensiv auf das anstehende Reformationsjubiläum vor.

Dom zu Turku
Im Dom zu Turku wurden die ersten evangelischen Änderungen in der Gottesdienstordnung eingeführt. (Bild: © Visit Turku)

Turku und die nordische Reformation

Da Finnland mehrere Jahrhunderte zum schwedischen Königreich gehörte, löste ein Beschluss auf dem schwedischen Reichstag zu Västerås 1527 auch dort die Reformation aus. Wesentlich für deren Fortgang sind zwei Aspekte: Einerseits interessierte sich König Gustav Wasa für die Gedanken Luthers und seiner Anhänger, weil er damit die politische Macht der Kirche zerschlagen sowie ihr Eigentum der Krone zufließen lassen wollte. Andererseits gab es innerhalb der Kirche viele, die sich vom evangelischen Glauben hatten überzeugen lassen. Durch ihre persönlichen Kontakte sowie deutsche Schriften waren sie mit Luthers Lehre vertraut, lehrten und predigten in ihrem Geist. 

Eine wichtige Rolle bei der nordischen Reformation spielten jene Studenten, die bei Luther und Melanchthon in Wittenberg in die Lehre gingen. Der bekannteste Reformator Finnlands war Mikael Agricola (ca. 1510-1557), der seinen Magisterabschluss 1536-39 in Wittenberg absolvierte. Schon zuvor hatte sich der junge Kanzler des Bischofs ein Exemplar einer Postille von Luther besorgt,  gründlich studiert und kritisch geprüft – und sie auch als Impuls für seine eigenen Predigten benutzt. In Wittenberg konzentrierte er sich auf die finnische Übersetzung des Neuen Testaments. Wahrscheinlich saß er mit anderen Studenten auch als Gast am Tisch bei Familie Luther. Luther nannte er einen ehrwürdigen Vater, Melanchthon aber seinen Lehrer. 

Mittelaltermarkt in Turku
Im Sommer lockt der Mittelaltermarkt tausende Besucherinnen und Besucher in die Innenstadt von Turku. (Bild: © Visit Turku)

Nach seiner Rückkehr nach Turku arbeitete Agricola zunächst als Schulrektor ehe er später Bischof von Turku wurde. Seine schriftliche Arbeit setzte er zugleich fort. Die Übersetzung der Bibel war nicht einfach, da eine etablierte volkssprachliche Tradition fehlte. Durch seine Arbeit erhielt Agricola den Ehrentitel des Vaters der finnischen Schriftsprache. 1543 erschien das Erstlingswerk finnischer Literatur, das ABC-Buch. Ein Jahr später kam sein Gebetbuch mit knapp 700 Gebeten heraus. Schließlich erschien im  Jahre 1548 auch die finnische Übersetzung des Neuen Testaments. Später veröffentlichte Agricola noch Agenden für Gottesdienste und arbeitete an der Übersetzung des Alten Testaments. 

Neben Agricola wirkten auch andere aus Deutschland zurückgekehrte Studenten in Turku. Als wichtiges kirchliches Zentrum im Osten des Schwedischen Reichs spielte die Stadt für die Reformation in Finnland eine wichtige Rolle. Dort wurden die Pfarrer im Geist der Lutherischen Lehre unterrichtet, im Dom wurden die ersten evangelischen Änderungen in der Gottesdienstordnung eingeführt. Von Turku breiteten sich die reformatorischen Gedanken in ganz Finnland aus. Heute erinnern historische Zeugnisse im Stadtbild Turkus an die Reformation, so der Dom und die Burg. Letztere ist das größte mittelalterliche Gebäude Finnlands und war in der Reformationszeit Schauplatz verschiedener auch konfessioneller Intrigen innerhalb des schwedischen Königshauses. Beide zählen zu den beliebtesten historischen Sehenswürdigkeiten in Finnland.

Burg zu Turku
Die Burg zu Turku war in der Reformationszeit Schauplatz verschiedener auch konfessioneller Intrigen innerhalb des schwedischen Königshauses. (Bild: © Visit Turku)

Turku auf dem Weg zum Jubiläum

Mit Blick auf das Jubiläum 2017 will die Stadt Turku ihr Profil als Reformationsstadt verstärken, und sich mit europäischen Reformationsstädten vernetzen. Dazu bildet die besondere Geschichte der Stadt einen fruchtbaren Ausgangspunkt. Dabei will die Stadt zugleich in die Zukunft schauen. Auf dem Weg zum Jubiläum fragt man in Turku, was es bedeutet eine moderne Reformationsstadt zu sein. Wie lebt das Erbe der Reformation in und um uns weiter? Was bedeutet es heute als kirchliche Hauptstadt, als moderne Universitäts- und lebendige Kulturstadt oder als internationale Hafenstadt? Wozu verpflichtet die Geschichte?

Einige Monate vor der Eröffnung laufen die Vorbereitungen für das Reformationsjubiläum in Turku auf Hochtouren. Sowohl die kirchlichen als auch städtischen und zivilgesellschaftlichen Akteure bereiten sich mit buntem Programm für das Jubiläum vor. Als eines der Schwerpunktthemen werden die kulturellen und geistlichen Wurzeln der Finnen hervorgehoben, die tief im lutherischen Boden liegen. Kirchlich steht das Thema Gnade im Mittelpunkt. Wie könnte die Kirche den Kern des christlichen Glaubens den Menschen von heute besser anschaulich machen? Agricola – übrigens auch als Getränk – wird es im Jubiläum nicht fehlen. In Planung sind neben dem Ökumenischen Kirchentag, Ausstellungen, Konzerten, Vorlesungen und Gottesdiensten auch Stadtrallye, Theater (mit und ohne Puppen), Kunst und Literatur, mittelalterliche Speisen und Stimmung, Thesen und Apfelbäume, Handyspiele, Apps und vieles mehr. Die finnische Reformationsstadt ist im Jahr 2017 auf jeden Fall einen Besuch wert!

Informationen

Autor:Katariina Ylikännö Datum:21-07-16
Schlagworte:
Reformationsstadt, Turku, Reformation in Finnland, Mikael Agricola, Martin Luther

Notizen aus der Einen Welt

Das Reformationsjubiläum ist kein nationales, deutsches oder gar lokal begrenztes Ereignis. Die Reformation ist durch die Jahrhunderte zur „Weltbürgerin“ geworden. In vielen Regionen und Ländern auf allen Kontinenten haben sich reformatorische Gedanken ausgebreitet und reformatorische Ideen dargestellt.

Wie der Reformator Mikael Agricola den Finnen das Lesen beibrachte

Sie sind seine Ur-Ur-Ur-Enkel: Die finnischen Autorinnen und Autoren, die Ehrengäste der Frankfurter Buchmesse sind. Ihr Ahnherr ist Mikael Agricola, der Reformator Finnlands. Mit seiner Bibelübersetzung brachte er auch die Bildung nach Finnland.