Skip to main content

Mit der Reformation zu einer neuen Wirtschaftsethik

Entfesselte Märkte, Finanzkrisen und Bankenrettung: Wissenschaftler, Ökonomen und Kirchenvertreter waren in Berlin zusammengekommen, um einen Diskussionsimpuls über eine neue Ethik in der Ökonomie zu geben.  

Udo Di Fabio
Udo Di Fabio (Archivbild: epd-bild/Andreas Schölzel, 2014)

Die beiden großen Kirchen in Deutschland wollen eine gesellschaftliche Debatte über christliche Werte in der globalisierten Wirtschaft anstoßen. Auf einer Tagung des Wissenschaftlichen Beirats zum Reformationsjubiläum 2017 kritisierten der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx sowie der evangelische Sozialethiker Wolfgang Huber die von den Volkswirtschaften entkoppelten Finanzmärkte. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates und frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo Di Fabio, sah in der Weltwirtschaftskrise dagegen das Indiz einer falsch verstandenen Wirtschaftsmoral. 

Rahmenbedingungen müssen neu verhandelt werden

„Wir reden von Globalisierung, finden aber nicht den Weg, den produktiven Kräften einen Rahmen zu geben“, sagte Marx auf der Tagung, die unter dem Titel „Reformation und die Ethik der Wirtschaft“ stand. Dabei sah er die Kirchen in der Pflicht. Fragen von Ethik und Moral gehörten untrennbar zu einer freiheitlichen Gesellschaft dazu. Seiner Ansicht nach könnten die Kirchen einen konstruktiven Beitrag leisten. Marx betonte: „Freiheit und Verantwortung beziehen sich auf das gesamte Feld der Gesellschaft.“ 

Deshalb müssten etwa die Auswirkungen politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen auf die nächste Generation oder auf die Lebenssituationen von Menschen in Krisengebieten stärker diskutiert werden. Öko- und Sozialbilanzen müssten eine ebenso große Rolle spielen wie Gewinnbilanzen. Der Kardinal forderte deshalb: „Die Rahmenbedingungen der sozialen Marktwirtschaft müssen neu verhandelt werden“.

Ansätze der Reformation können helfen

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Huber, sagte, Ansätze der Reformation könnten auch heute für die Gesellschaften sinnvolle Orientierung geben. So sei „Handeln aus Verantwortung“ als christlicher Grundsatz für die Wirtschaftsstruktur wichtig. Der Altbischof betonte, die Reformatoren in Luthers Zeit hätten natürlich nicht die Probleme der Globalisierung im Blick haben können. Dennoch hätten sie eine Vorstellung davon entwickelt, dass merkantiles Handeln am biblischen Ethos überprüft und zum Wohle der Gesellschaft neu ausgerichtet werden müsse.

In Deutschland gebe es bereits viele vor allem mittelständische Unternehmen, die nach ethischen Grundsätzen wirtschafteten. Die Polarisierung allerdings zwischen entkoppelten Finanzströmen und Armut greife „das Gewebe der Gesellschaft“ an. Eine religiös geprägte Haltung und Kultur könne dafür sorgen, dass dieses Gewebe erhalten bleibe.

Falsch verstandene Wirtschaftsmoral

Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio sagte, schon die Menschen der Reformation hätten darüber diskutiert, wie ein soziales Miteinander möglich sein könne, „wenn jeder auf seine eigene Faust wirtschaftet“. Sie hätten dabei erkannt, dass Freiheit nur dann erlebt werden könne, wenn es eine freiwillige Rückbindung an Systeme, Ordnungen oder etwa die Heilige Schrift gebe. „Was passiert, wenn solche Selbstbegrenzungen in Alltagsmoral und kommunikativer Rückbindung ausfallen, hat vielleicht die Weltfinanzkrise dem Westen eindringlich vorgeführt“, sagte Di Fabio.

Die Tagung „Reformation und Ethik der Wirtschaft“ ist die dritte Veranstaltung des wissenschaftlichen Beirats zum Reformationsjubiläum. Frühere Themen waren „Reformation und Recht” sowie „Reformation und Säkularisierung“.

Informationen

Quelle:epd/Wissenschaftlicher Beirat Datum:29-09-16
Schlagworte:
Reformation und Wirtschaft, Wissenschaftliche Beirat, Reformationsjubiläum

Reformationsjubiläum erinnert an Wurzeln der Gesellschaft

„Die Reformation hat eine gewaltige Signatur hinterlassen“, erklärte der frühere Verfassungsrichter und Vorsitzender des Beirats, Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, im voll besetzten Senatssaal der altehrwürdigen Humboldt-Universität.