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„Lampenfieber gehört dazu“ - Pastoren und die Weihnachtspredigt

Alle Jahre wieder - und doch soll sie immer neu sein, die Weihnachtspredigt. Woher kommt die Inspiration? Mancher muss nur das Elend auf der Straße sehen, bei anderen wird es maritim

Pastorin Susanne Zingel in ihrer evangelischen Kirche auf Sylt
(dpa/Christian Charisius)

Langeweile vor der Weihnachtspredigt, keine zündende Idee für Heiligabend? Im Gegenteil - für Pastoren wie den an der Marineschule Mürwik in Flensburg tätigen Ernst Raunig ist die Weihnachtspredigt immer noch „eine absolute Freude“. Die lässt er sich auch von der oft gar nicht stillen Vorweihnachtszeit nicht nehmen. „Wenn Weihnachten nur Stress bedeutet, Termin auf Termin, dann kommt das rüber. Wichtig ist die authentische Verkündung. Ich kann Stille Nacht nur singen, wenn ich die Stille empfinde. Wenn ich die Stille nicht gefunden habe, geht das nicht.“

Aufgeregt ist er trotzdem noch: „Ich finde, dass Lampenfieber dazugehört.“ Raunig, der auch in einer zivilen Gemeinde predigt, will seine Themen so vermitteln, dass alle sie verstehen. Dabei stört er sich nicht an jenen, die nur einmal im Jahr kommen. „Was nicht reingehört, ist eine Publikumsbeschimpfung, dass die Menschen nur zur Weihnachten kommen.“ Er stellt sich auf sein Publikum ein. „Weihnachten muss man sich genau überlegen: Wer ist meine Gemeinde? Die Predigt muss besonders glaubwürdig und lebensnah sein.“

Für die Gottesdienste bedient sich Raunig des „Zeichenvorrats“ der Marineangehörigen, also raue See, Anker, Hafen, Orientierungslicht - das habe für sie eine ganz andere Bedeutung. Susanne Zingel, Pastorin an der Sylter Kirche St. Severin in Keitum, geht auf dem Weg zur Arbeit zweimal täglich am Meer entlang, aber auf Meer-Themen will sie nicht zu viel setzen. Es sei nicht schwierig, immer neue Themen zu finden, sagt Zingel. Früher habe sie nach inspirierenden Texten Ausschau gehalten, nun genügt „die andächtige Betrachtung des Weihnachtswunders“. Auch Gedichtbände oder Zeitungsberichte könnten Anstöße geben. Anregungen in Internetportalen sucht sie dagegen nicht. Fünf Gottesdienste gibt es an Heiligabend in der Gemeinde. Drei übernimmt Zingel, keine Predigt wird doppelt gehalten.

Das kann nämlich auffallen, hat Matthias Krämer, Pastor auf den Halligen Langeneß, Oland und Gröde, erlebt. Als er bei Fürbitten ein Gebet verwendete, das im Vorjahr dran war, bemerkte das eine Schülerin. Noch etwas gilt es zu beachten: „Die Leute hier hören nur mich, da kann ich nicht nur meine Lieblingstexte nehmen.“ Zentrale Vorgaben zur Themenauswahl für Weihnachtspredigten „gibt es in der Evangelischen Kirche nicht“, erläutert ein EKD-Sprecher „Einzige Richtschnur ist die Perikopenordnung, die besagt, auf welchen biblischen Text die Predigttexte Bezug nehmen sollen.“ Die bekannte Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2, 1-20 sollte am Weihnachtstag vorkommen. „Gerade Heiligabend gibt es bezüglich der biblischen Texte auch eine Erwartungshaltung der Gemeinde.“

Auch in der katholischen Kirche sind Bibel-Texte, an denen sich ein Pfarrer grundsätzlich orientiert, vorgegeben, sagt ein Sprecher des Bistums Mainz. Es gebe außerdem Predigthilfen - angesichts der vielen Gottesdienste an den Weihnachtstagen, dem folgenden Wochenende und Silvester bräuchten die Pfarrer eine Vielzahl von Ideen. Impulse könnten zudem von Hirtenbriefen des Bischofs kommen, sagt ein Sprecher des Bistums Regensburg. Trotz der Regelungen im sogenannten Direktorium, einer Art Liturgie-Kalender, könnten aber auch aktuelle Themen gebracht werden.

Die liegen für Sieghard Wilm buchstäblich auf der Straße. Er ist Pastor an der Hamburger St. Pauli Kirche mitten im Kiez. „Ein großes Thema ist Einsamkeit. Weihnachten ist eine große Krisenzeit.“ Flüchtlinge, Gewalt, Prostitution - alles Alltag im Gebiet zwischen Reeperbahn und Fischmarkt. Gerade versucht Wilm zu verhindern, dass eine alleinerziehende Roma mit vier Kindern vor Weihnachten abgeschoben wird. „Da ist die Not von Maria und Josef so greifbar. St. Pauli ist ein Stadtteil der Flucht, auch in Alkohol und Drogen.“

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Autor:Martina Scheffler Quelle:dpa Datum:18-12-14
Schlagworte:
Kirche, Predigt, Weihnachten