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Franz von Sickingen und die Reformation

Er stritt sich mal mit, mal für den Kaiser, er führte Fehden in bisher unbekannten Ausmaßen und machte seine Ebernburg zur „Herberge der Gerechtigkeit“. Am 21. Mai wird im Landesmuseum in Mainz die Ausstellung „Ritter, Tod, und Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation“ im Landesmuseum in Mainz eröffnet. Doch was hat ein Ritter mit der Reformation zu tun? 

Ritter, Tod und Teufel, Meisterstich von Albrecht Dürer (ca. 1513).

Den Blick unbeeindruckt nach vorne gerichtet, aufrecht im Sattel sitzend und unter sich das kraftstrotzende Pferd. Doch seine Begleiter lassen nichts Gutes vermuten. Hinter ihm der Tod als Greis auf einer zotteligen Mähre, das ablaufende Stundenglas in der Hand. Der Blick eines Mischwesens aus Pferd und Ziege sticht dem Reiter in den Rücken. Zu Füßen des Pferdes ein Totenkopf. Der Reiter ist in Gefahr! 

Der unbeugsame Ritter, der sich weder vom Tod noch vom Teufel von seinem Weg abbringen lässt, wurde von Albrecht Dürer 1513 in Kupfer gestochen. Doch wer ist dieser Mann auf dem Meisterstich „Ritter, Tod und Teufel“? Heute ist man davon überzeugt, dass er keine historisch verbürgte Person ist. Im 19. Jahrhundert war man sich hingegen sicher: Es muss der pfälzische Ritter Franz von Sickingen sein. 

Die Ritterschaft an der Schwelle zur Neuzeit

Von ungefähr kam diese Identifizierung nicht. Albrecht Dürer (1471 – 1528) stellt einen Ritter an der Schwelle zur Neuzeit dar, der vielen Anfeindungen und Gefahren ausgesetzt ist. Der rebellische Kämpfer Franz von Sickingen (1481 –1523) ist ein exemplarischer Vertreter dieses Standes. Zu seinen Lebzeiten befindet sich die Ritterschaft im Würgegriff: In den reichen Städten erstarkt das Bürgertum, das auch seine Rechte einzufordern beginnt, auf der anderen Seite stehen die mächtigen Landesfürsten, die den Ritterstand zunehmend politisch enteignen und so seinen Funktionsverlust beschleunigen. Vielleicht ist es gerade diese fast schon ausweglose Situation, dass sich die Reichsritter als erste weltliche Anhänger Luthers zu erkennen geben. Einer von ihnen ist Franz von Sickingen, der schon 1520 Martin Luther seinen Schutz anbietet.  

Die Ebernburg in Bad Münster am Stein, Rheinland-Pfalz. Hier schrieb Franz von Sickingen Kirchengeschichte, als er den lutherischen Theologen Aquila, Bucer, Oekolampad und Schwebel Asyl gewährte. Ulrich von Hutten feierte die Burg bereits 1520 als "Herberge der Gerechtigkeit".
(© epd-bild / view)

„Die Herberge der Gerechtigkeit“

Franz von Sickingen weiß sich in dem Mächtepoker dieser Umbruchphase zu positionieren. Die Grundlage dazu bietet sein ererbter Familienbesitz rund um die Ebernburg zwischen Nahe, Unterelsass und Nordschwarzwald. Durch verschiedene Feldzüge hat er sich zu einer ernstzunehmenden Macht im Rhein-Main-Neckar-Gebiet entwickelt. So kann er es sich erlauben, auf seiner Hauptburg verfolgten reformatorischen Geistlichen eine Unterkunft zu gewähren. Zwar hat Luther selbst eine Einladung abgelehnt, aber es kommen andere. Martin Butzer etwa, der später als der große Reformator Straßburgs zu Berühmtheit gelangen sollte. Oder Kaspar Aquila, Sickingens Feldprediger. Der bekannteste unter ihnen ist wohl der Humanist Ulrich von Hutten, der die Ebernburg in seiner reformatorischen Streitschrift als „Die Herberge der Gerechtigkeit“ bezeichnet.

In dieser Zeit wächst auf Sickingens Hauptburg die dritte evangelische Gemeinde im Alten Reich heran – nach Wittenberg und Nürnberg. So lässt Franz von Sickingen 1521 die tägliche Messe abschaffen und durch einen sonntäglichen Gemeindegottesdienst ersetzen. 

Raub und Mord nach Protokoll

Ab 1515 stürzt sich der Ritter in die furiose Phase seines Lebens: Der raublustige Haudegen geht eine tollkühne Serie von Fehden an, in der er seinen Standesgenossen zu ihrem Recht verhelfen möchte. Im Mittelalter galten Fehden noch als gültiges Rechtsmittel, die mit aller Härte und allen noch so abscheulichen Mitteln der Kriegskunst geführt wurden, zugleich aber einer bestimmten Ordnung folgen. Doch seit 1495 ist dieser alte Rechtsbrauch durch den „Ewigen Landfrieden“ verboten. 

Sickingen hingegen scheint das nicht zu interessieren – oder er kalkuliert mit diesem Verstoß. Denn mithilfe dieser Fehdentaktik lassen sich auch wirtschaftliche Interessen umsetzen. Im März 1515 überfällt er eine Gruppe Wormser Kaufleute, die zu Schiff unterwegs zur Frühjahrsmesse in Frankfurt am Main sind. Die Handelsgüter werden beschlagnahmt und die Kaufleute als Geiseln genommen. Nur drei Tage nach dem Überfall erreicht die Stadt Worms ein Fehdebrief Sickingens. Ein klarer Verstoß gegen den „Ewigen Landfrieden“! Die Fehde mit der Stadt Worms – in der ironischerweise auch noch der Landfrieden verkündet worden war – ist der Auftakt eines profitablen Geschäftsmodels. Er beginnt bestehende Forderungen für die Seite einzutreiben, die ihm einen hohen Lohn verspricht. In weniger als 5 Jahren entwickelt er so aus dem seit den Germanen bekannten Rechtsinstrument der „Fehde“ eine hochprofitable Einnahmequelle.

Hans Sebald Beham, Belagerung der Burg Nanstein, 1523
© Staatsbibliothek Bamberg (Foto: Gerald Raab)

Der letzte Ritter

Doch Sickingens Aggressionen werden lange von Kaiser Maximilian toleriert. Dieser ernennt ihn zwei Jahre später sogar zu seinem Feldhauptmann. Der Ritter wird zum Idol der pfälzischen Reichsritterschaft die 1522 mit ihm an der Spitze den Aufstand gegen die Landesfürsten wagt. In seinem Übermut fordert Franz von Sickingen den Trierer Erzbischof Richard von Greiffenklau heraus. Den Angriff rechtfertigt er damit, dass er „dem Evangelium eine Öffnung machen“ wolle. Doch dem Bedrängten gelingt es, sich die Unterstützung von Philipp von Hessen und dem Kurfürsten Ludwig von der Pfalz zu sichern. Sickingen muss die Belagerung Triers nach kurzer Zeit im September 1522 abbrechen. Der Gegenschlag lässt nicht lange auf sich warten und wird zum Desaster für den Heerführer. Innerhalb von nur wenigen Tagen verwüstet schwerer Kanonenbeschuss seinen Rückzugsort Burg Nanstein. Örtliche Chronisten berichten von mehr als 600 Kanonenkugeln, die an einem einzigen Tag die Burg treffen. Sickingen wird dabei schwer verwundet, doch sein unglaublicher Wille ist ungebrochen: „Wiewohl mich die Stein ein wenig geschlagen haben, schadt es mir doch nichts.“ Am 7. Mai 1523 stirbt er an seinen schweren Verletzungen, die Burg kapituliert.

Informationen

Autor:luther2017 Quelle:Landesmuseum Mainz Datum:13-05-15
Schlagworte:
Franz von Sickenden, Reformation, Mainz, Ausstellung, Lutherdekade, „Ritter! Tod! Teufel?"

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