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Erinnern für die Zukunft – Reformationsjubiläum global geplant

Chancen und Risiken des Jubiläums

Ehemaliger Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams
(Foto: epd-Bild/Gion Pfander)

Dass 2017 für die evangelische Konfessionsfamilie ein Grund zum Feiern ist, steht für die rund 300 Teilnehmer des internationalen Kongresses zum Reformationsjubiläum außerfrage. Aus Kuba und Argentinien, aus Ruanda und Südafrika, aus Südkorea und China waren Kirchenleute nach Zürich gekommen, um sich darüber auszutauschen, was die Chancen des Jubiläums sind und was womöglich Risiken.

Ein nationales Lutherjubiläum sei keinesfalls geplant, aus der früheren Instrumentalisierung des „Helden Martin Luther" habe man Lehren gezogen, versichert Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund den Kongress geplant hat. Gerade im Themenjahr „Reformation und Toleranz“ gehe es darum, das bei früheren Gedenkfeiern gezeichnete Lutherbild zu korrigieren. Es entspreche nicht mehr der neueren Forschung zu Person und Wirkung des Reformators. Luther war auch ein „heftiger Polemiker und beschämender Antijudaist“, erinnert Schneider.

Reigen von Erinnerungsfeiern in den nächsten Jahren

Die Reformation, die mit dem Thesenanschlag in Wittenberg in Gang kam, hat viele Gesichter, wie der Reigen von Erinnerungsfeiern in den nächsten Jahren zeigt. Der 500. Wiederkehr des Thesenanschlags geht das Gedenken an den Reformator Jan Hus voraus, der als Häretiker auf dem Konzil von Konstanz 1415 hingerichtet wurde.

Margot Käßmann
Margot Käßmann (Foto: epd-Bild/Gion Pfander)

Auch die Schweiz kennt eine ganz eigene Reformationsgeschichte und es stehen regionale Jubiläen an. „Ohne Zwingli, Bullinger und Calvin wäre die Reformation ein deutschsprachiges und nordeuropäisches Phänomen geblieben“, zeigt sich Kirchenbundspräsident Gottfried Locher aus Bern überzeugt. Mit Schneider stimmt er überein: 2017 muss der Protestantismus als weltweite Bewegung, zu der auch Baptisten und Mennoniten zählen, sichtbar werden. Denn Protestantismus sei trotz Zersplitterung nicht gleichzusetzen mit Provinzialismus, sagt Locher. Deshalb werde ein internationales Reformationsfest mit selbstverständlicher Vielfalt angestrebt.

In Frankreich etwa wollen die Protestanten bis zum Symboldatum 2017 eigene aktuelle Thesen zu Reform und Erneuerung in Kirche und Gesellschaft debattieren, kündigt der Präsident der Vereinten Protestantischen Kirche von Frankreich, Laurent Schlumberger, an. Sie sollen in ein Glaubensbekenntnis für die 2013 aus Lutheranern und Reformierten fusionierte Kirche münden. Beim Reformationsjubiläum gehe es nicht um Nostalgie, sondern es biete eine Gelegenheit in der Gesellschaft sichtbarer zu werden. Frankreichs Protestanten wollten nicht zu einem "Indianerreservat" werden, sagt Schlumberger.

Europa schon auf Jubiläums-Modus geschaltet

Italien sei kein Land der Reformation und nur begrenzt reformfreudig, sagt Holger Milkau von der Evangelisch- Lutherischen Kirche in Italien. Dennoch sei es ein Anliegen der Minderheitskirche, das Bewusstsein für die Reformation und ihre Folgen zu schärfen. Unter anderem sei angestrebt, dass es in Rom 2017 eine „via Martin Lutero“ geben wird.

Für die europäische Dimension der Reformation macht sich Generalsekretär Michael Bünker von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa stark. Städte, die besonders dazu beigetragen haben, dass sich die Reformation ausbreitete, sollten das Label "Reformationsstadt Europas" erhalten.

Bei dem Kongress in Zürich wird eine Fülle von Ideen und Projekten präsentiert, die in der nächsten Zeit gebündelt werden können, wie die EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann hofft. Sie lädt dazu ein, dass die vielfältigen Reformationsnetzwerke sich mit der „Weltausstellung der Reformation“ verzahnen, die im Sommer 2017 in Wittenberg geplant ist.

Auch wenn große und kleine Kirchen vor allem in Europa schon auf Jubiläums-Modus geschaltet sind, gibt es noch „weißen Flecke“ auf der Weltkarte: In China etwa seien bis heute zentrale Werke von Luther und Calvin in der Landessprache nicht zugänglich, berichtet ein Teilnehmer.

Rund 300 Kirchenvertreter und Wissenschaftler aus 35 Ländern erörterten die Bedeutung der Reformation für Kirche und Gesellschaft in der Gegenwart und sprachen über die Chancen und Perspektiven des 500-Jahr-Jubiläums. Veranstalter des Kongresses sind der Schweizerische Evangelische Kirchenbund und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).

(Foto: epd-Bild/Gion Pfander)

Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther seine 95 kirchenkritischen Thesen veröffentlicht. Dieses Datum gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, aus der die protestantischen Kirchen hervorgingen. Bereits seit 2008 bereiten Kirche und Staat im Rahmen der sogenannten Lutherdekade gemeinsam das 500-Jahr-Jubiläum vor.


Texte, Informationen und Videos vom Kongress gibt es auf den Webseiten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes www.kirchenbund.ch und der Evangelischen Kirche in Deutschland www.ekd.de.

Informationen

Autor:Rainer Clos Quelle:epd Datum:09-10-13
Schlagworte:
Ökumene, Staat, Reformationsjubiläum, Europa, international, Nikolaus Schneider, Margot Käßmann