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Staatsbibliothek zu Berlin zeigt erstmals alle drei Thesendrucke von 1517 Insgesamt werden 95 Originale zur Reformation ausgestellt.

Der Leipziger Thesendruck ist noch bis zum 19. Februar zu sehen. Leipzig: Jakob Thanner, 1517.
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 13, Nr. 4-5a, Fasz. 1 (Bild: Staatsbibliothek zu Berlin - PK)

Beim Austeilen war Martin Luther nicht zimperlich. Ob gegen den unseligen Ablasshandel, die Juden, den Islam oder die Bauern – überall fand er drastische, vernichtende bis ehrverletzende Worte. Lieblingsfeind blieben aber zeitlebens der Papst und die katholische Kirche, denen der Reformator (1483-1546) immer wieder eins mitgab.

So gestaltete der Maler Lucas Cranach der Ältere im Auftrag Luthers 1545 einen Bilderzyklus gegen den Papst, die als Flugblätter unter die Leute gebracht wurden. Cranach zeichnete etwa einen „Sauritt“ des Papstes, den das katholische Oberhaupt im vollen Ornat auf einem Schwein reitend darstellt, in der Hand einen dampfenden Haufen Kot. Andere Holzschnitte zeigen den Papst als „Sackpfeiffenesel“ oder als Ungeheuer mit Eselkopf, Frauenleib und Schuppenkörper.

Zu sehen sind Originale der Schmäh-Bilder seit dem 3. Februar in der Ausstellung „Bibel – Thesen Propaganda“ in der Berliner Staatsbibliothek. Zum diesjährigen 500. Reformationsjubiläum präsentiert die Schau selten gezeigte originale Dokumente aus der Zeit Luthers und erzählt die Reformation anhand von 95 Objekten in sechs Kapiteln. Die Exponate kommen fast ausschließlich aus den eigenen umfangreichen Sammlungen und Archiven.

Luther und Cranach als Propaganda-Genies

Luther und Cranach seien „Propaganda-Genies“ gewesen, sagt Ausstellungskuratorin Michaela Scheibe. Sie hätten Schrift- und Bilddruck als damals hochmoderne Erfindung genutzt, um die Reformation bekannt zu machen. Schmäh-Zeichnungen wie auf den Flugblättern hätten auch Menschen verstanden und amüsiert, die nicht lesen und schreiben konnten. Die katholische Kirche hatte dem zunächst wenig entgegenzusetzen, weil sie die Entwicklung lange verschlief, sagt Scheibe.

Johann Sebastian Bach: Gott der Herr ist Sonn und Schild BWV 79. Autographe Partitur. Titelumschlag und 24 Seiten. 36 x 21,5 cm (einige Blätter etwas kleiner). Leipzig, 1725. (Bild: Staatsbibliothek zu Berlin - PK)

Wichtigste Exponate der Ausstellung sind aber fraglos drei noch existierende Thesendrucke aus dem Jahr 1517. Die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Luther am 31. Oktober 1517 gilt als Ausgangspunkt der Reformation, der kirchlichen Erneuerungsbewegung in Deutschland und Europa. Seine 95 Thesen sandte Luther unter anderem dem Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg. Zugleich kursierten in Luthers Umfeld einige Abschriften.

Heute sind laut Scheibe nur noch sieben Exemplare der Thesendrucke aus Nürnberg und Leipzig bekannt. Zwei davon werden in Berlin aufbewahrt: die Staatsbibliothek besitzt einen Druck aus Nürnberg, das Geheime Staatsarchiv einen aus Leipzig. Ein weiterer kommt zudem aus Basel. In die Hände der Staatsbibliothek gelangte der Nürnberger Druck 1891 bei einem Ankauf in einem Londoner Antiquariat. Wer alle drei Drucke sehen möchte, muss sich allerdings beeilen. Denn aus konservatorischen Gründen wird der Leipziger Druck nur bis zum 19. Februar zu sehen sein. 

Auch frühe Gesangbuchdrucke und Flugblätter zu sehen

Zu sehen sind aber auch das „Achtliederbuch“ und weitere frühe Gesangbuchdrucke der Reformationszeit. Das „Achtliederbuch“ wurde bereits um die Jahreswende 1523/1524 von einem Nürnberger Drucker publiziert und kann laut Staatsbibliothek gewissermaßen als Vorläufer aller evangelischen Gesangbücher gelten. Ein Autograph Luthers zeigt zudem den Text eines Katechismusliedes des Reformators – einschließlich Melodieentwurf. Dieser wurde von Luther aber selbst wieder durchgestrichen. „Wir haben ihn mal versucht zu singen, das war wirklich nicht gut“, sagt die Kuratorin. Fortan überließ Luther das Komponieren den Profis.

Insgesamt ist die Ausstellung in sechs Abschnitte gegliedert. Zum einen die Schriften, die unmittelbar mit den Thesen zusammenhängen, wie die Thesendrucke oder ein Druck der päpstlichen Bannbulle. Dann selbstverständlich Exponate zur Heiligen Schrift. Hier werden Übersetzungen ins Sorbische oder Chinesische gezeigt. Weitere Abschnitte befassen sich mit der Theologie und Propaganda im Glaubenskampf und dem Einsatz der Flugblätter. Dem folgen ein Abschnitt zu den kriegerischen Auseinandersetzungen und ein weiterer zur Kirchenmusik. Den Abschluss bildet eine Abteilung zur Rezeption der Reformation und Luthers bis ins 21. Jahrhundert. Gezeigt werden unter anderem Max Pechsteins Holzschnitte zum „Vaterunser“ von 1921 oder hochaktuell die Comic-Helden Abrafaxe bei ihrer Reise in die Zeit Luthers in den beliebten „Mosaik“-Heften.

Informationen

Autor:luther2017.de Quelle:epd/SBB Datum:08-02-17
Schlagworte:
Reformation, Ausstellung, Berlin, Thesendrucke

weiterführende Informationen

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

3. Februar – 2. April 2017 + zum Evangelischen Kirchentag 24. – 28. Mai 2017 dienstags-samstags 11-19 Uhr, sonntags 13-18 Uhr

Haus Potsdamer Straße 33

Kulturforum

10785 Berlin