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Bedford-Strohm: Reformationsjubiläum als „politisches Signal"

Heute beginnen in Berlin die Feiern zum 500. Reformationsjubiläum. Im Festjahr wird es nach Auffassung des evangelischen Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm auch darum gehen, christliche Standpunkte zum Kampf gegen die Armut hervorzuheben.

Heinrich Bedford-Strohm
Heinrich Bedford-Strohm (Bild: Norbert Neetz / epd-bild)

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht im bevorstehenden 500. Reformationsjubiläum ein „politisches Signal“ für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im SWR-„Interview der Woche“ hob der bayerische Landesbischof insbesondere den kirchlichen Einsatz für Bedürftige hervor. Bereits Martin Luther habe sich sehr deutlich dagegen gewehrt, dass „die Armen unter die Räder kommen“. Verantwortliches Wirtschaften müsse auch geprägt sein „von der biblischen Option für die Armen„, betonte Bedford-Strohm. Es gehe um die Frage, ob die Wirtschaft allein das Bruttosozialprodukt steigern oder auch den Schwachen dienen solle.

Luther als Wutbürger? 

Die evangelische Kirche feiert im kommenden Jahr 500 Jahre Reformation. Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der legendäre Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte. Eröffnet wird das Jubiläumsjahr bereits am Montag, dem Reformationstag dieses Jahres.

Mit Blick auf den aktuellen Titel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, auf dem Luther als „erster Wutbürger“ bezeichnet wird, sagte Bedford-Strohm, Luther sei in der Tat ein sehr authentischer und leidenschaftlicher Mensch gewesen. „Aber Wutbürger passt ganz bestimmt nicht“, betonte er am Samstag (29.10.16) im Deutschlandfunk. Luther habe von der Freiheit eines Christenmenschen gesprochen. Ihm sei es um die Liebe Gottes gegangen, die er auch den Mächtigen entgegengesetzt habe. Zudem habe sich der Reformator immer für die Schwachen und Armen eingesetzt. Das passe nicht zu „Pegida“.

Merkel will sich „intensiv“ mit Reformation beschäftigen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will das bevorstehende Jubiläumsjahr nutzen, um sich eingehender mit der Reformation auseinanderzusetzen. „Obwohl ich aus einem evangelischen Pfarrhaus stamme, gibt es immer wieder neue Einsichten“, sagte die Kanzlerin in ihrem wöchentlichen Video-Podcast, der am Samstag veröffentlicht wurde. Sie werde in den kommenden Monaten versuchen, sich „noch einmal intensiver mit der Reformation zu beschäftigen“.

Die zahlreichen Veranstaltungen im Festjahr, das heute in Berlin mit Festgottesdienst und Festakt eingeläutet wird, werden nach Auffassung der Kanzlerin einen vielfältigen Blick auf die Geschichte Deutschlands ermöglichen. Es werde ihr immer bewusster, dass das Verständnis der eigenen Geschichte und Kultur eine unabdingbare Voraussetzung sei, auch in Zeiten der Globalisierung eigene Standpunkte, Werte und Überzeugungen darstellen zu können, betonte sie.

Kritik: Reformationsjubiläum bedient sich überholten Darstellungen

Kritik an den bevorstehenden Feiern zum Reformationsjubiläum übte derweil der Frankfurter Kirchenhistoriker Markus Wriedt. „Martin Luther wird in Kategorien des 19. Jahrhunderts heroisiert“, sagte Wriedt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit der Darstellung des Reformators als einzelnem Aufrechten gegenüber Kaiser und Papst, einsamem Denker auf der Wartburg und Anführer der evangelischen Bewegung werde ein Heldenbild im Stil des 19. Jahrhunderts gemalt.

Luther sei auch nicht der Entdecker des Individuums oder des Gewissens gewesen, wie oft behauptet werde, erklärte der Kirchenhistoriker. Der Reformator sei mit seinem Denken noch im Spätmittelalter verwurzelt gewesen. Erst die Aufklärung und der Pietismus im 17. und 18. Jahrhundert hätten mit der Betonung der Vernunft beziehungsweise des persönlichen Glaubenszeugnisses den Einzelnen und seine Gewissensentscheidung hervorgehoben. 

Luther zufolge sollten die Gläubigen die Bibel lesen und „ihr Leben vom Wort Gottes durchdringen lassen“. So könnten sie Heilsgewissheit auch in Krisen gewinnen. Dieses Anliegen sei auch in der Sinnkrise der Moderne aktuell, sagte Wriedt.  

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Quelle:epd Datum:31-10-16