„Passa, Passa, immer weg, mach Schluss!“
Das nasskalt-winterliche Rom hat Luther genervt, die Italiener, die ihm unsympathisch waren, auch. „Ich bin nicht lange in Rom gewesen, habe aber dort viele Messen gehalten und auch viele Messen halten sehen; es graut mir, wenn ich daran denke. Da hörte ich die Höflinge bei Tisch lachen und prahlen, wie etliche Messe hielten und über Brot und Wein sprächen: Brot bist du, Brot bleibst du – und dann Brot und Wein hochhielten. Nun, ich war ein junger und recht frommer Mönch, dem solche Worte wehtaten. Und überdies ekelte mir sehr, wie sie so rips raps die Messe halten konnten, als trieben sie ein Gaukelspiel. Denn ehe ich zum Evangelium [zu dessen Verlesung bei der Messe] kam, hatte mein Nebenpfaife schon eine Messe zu Ende gebracht und schrie mir zu: Passa, Passa, immer weg, mach Schluss.“
Und die Bilanz seiner Reise? Im Nachhinein hielt er sie nicht nur in der Ordenssache, wegen der er geschickt worden war, sondern auch spirituell für einen Flop: „Wer nach Rom kam und brachte Geld, der kriegte Vergebung der Sünden. Ich, als ein Narr, trug auch Zwiebeln nach Rom und brachte Knoblauch wieder.“
Historisch wirklich fix ist trotzdem nix oder jedenfalls wenig zu Luthers Romreise. Die Reiseroute besteht größtenteils aus Mutmaßungen, und man weiß nicht, ob Luther im Augustinerkloster Santa Maria del Popolo oder im Sant'Agostino wohnte. Neuere Forschungen stellen sogar die Datierung Winter 1510/11 infrage und behaupten, Luther sei erst ein Jahr später in Rom gewesen.
In kurioser Gesellschaft
Wie auch immer Luthers Romreise vor 500 Jahren zu bewerten ist: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien (CELI) und die Siebten-Tags-Adventisten nahmen vor sechs Jahren das Jubiläum zum Anlass, im römischen Magistrat den Antrag zu stellen, man möge in Rom doch eine Straße oder einen Platz nach dem Reformator und Romreisenden benennen.
Mit Erfolg: Auch wenn mit dem Platz im Colle-Oppio-Park nun sichergestellt ist, dass es Martin Luther auch in Zukunft nicht als römische Postadresse gibt – die Platzbenennung ist ein kirchengeschichtlicher Meilenstein, finden Italiens Lutheraner: „Der Romaufenthalt Martin Luthers ist Teil der Reformationsgeschichte und damit Teil der europäischen Geschichte“, sagt CELI-Dekan Heiner Bludau: „Aus Sicht der Kirchen ist es ein epochaler Schritt von hoher symbolischer Bedeutung, in Rom einen Platz nach dem großen Reformator zu benennen. Es ist auch ein Schritt, der das Erreichte im Prozess der europäischen Einigung widerspiegelt. Für beides bin ich sehr dankbar.“
An der Schnittstelle der Viale Serapide und der Viale Fortunato Mizzi befindet sich Martin Luther im Colle-Oppio-Park demnächst übrigens in Gesellschaft weiterer Ausländer, die auf mehr oder weniger kuriose Art mit Rom zu tun haben: Serapis ist ein ägyptisch-hellenistischer Mischgott, ein fröhliches Gemenge von Osiris, Apis-Stier, Jupiter und Pluto, dessen Kult sich in der Ptolemäerzeit im ganzen Römischen Reich ausbreitete. Und Fortunato Mizzi (1844-1905) war ein pro-italienischer Malteser, der für Italienisch als Amtssprache auf seiner Insel eintrat und eine „Anti-Reform-Partei“ gründete, die am Anfang von Maltas Weg in die Unabhängigkeit von Großbritannien stand.
Ganz ohne Zungenschlag reformatorischer Rom-Enttäuschung kann man sagen: Martin Luther, der eine Art „Reform-Partei“ gründete und am Anfang christlicher Unabhängigkeit von Rom stand, passt in diese römische Gesellschaft fürs Erste gar nicht so schlecht.
Dieser Text erschien zum ersten Mal am 07. Juni 2015 in Sonntagsblatt – Evangelische Wochenzeitung für Bayern, Ausgabe 23/2015, und wurde www.luther2017.de mit freundlicher Genehmigung des Autors zur Verfügung gestellt.