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Reformation auf dem Kirchentag

(Bild: © Wolfram Scheible, Stuttgart

Mit einem Appell zum Frieden und zur Solidarität mit Flüchtlingen ist am Sonntag (7. Juni) der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag zu Ende gegangen. Fünf Tage lang hatten in Stuttgart rund 97.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer debattiert, Bibelarbeiten besucht, gesungen und gefeiert. Im Mittelpunkt standen aktuelle politische Themen, vom Flüchtlingsschutz über die „Homo-Ehe“ bis zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP. Zwei Jahre bevor sich die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther in Wittenberg zum 500. Mal jährt, rückten in den verschiedenen Veranstaltungen auch der Reformator und die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum in den Fokus. 

Von der Wartburg nach Berlin

„Ich kann Ihnen nur raten, sparen Sie Urlaub an, es gibt sehr viel zu sehen“, empfahl Astrid Mühlmann, die Leiterin der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“, mit Blick auf das vielfältige Programm im Jubiläumsjahr. Während eines sprichwörtlichen Spaziergangs durch Mitteldeutschland sprach die ehemalige Wittenberger Stadtführerin zusammen mit Alexandra Husemeyer vom Lutherhaus Eisenach und Michael Seimer von der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen über die Schauplätze der Reformation in Mitteldeutschland. So wurden die Ausstellung auf der Wartburg, die drei kommenden Nationalen Sonderausstellungen sowie der Gottesdienst in Wittenberg und Berlin dem interessierten Publikum vor der Bühne des Marktplatzes vorgestellt. 

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, besuchte am Freitagabend das „Forum Reformation“ und führte Gespräche mit den Mitarbeitern. In einem gemeinsamen Gespräch mit Astrid Mühlmann und Ulrich Schneider, dem Geschäftsführer des „Reformationsjubiläum 2017 e.V.“, informierte sich der Theologe über den Stand der Vorbereitungen. 

Spaziergang durch Mitteldeutschland – Astrid Mühlmann (l.) mit Alexandra Husemeyer (3. v. l.) vom Lutherhaus Eisenach und Michael Seimer von der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen (Bild: © Wolfram Scheible, Stuttgart).

Ökumenischer Akzent 

Auch abseits des „Forums Reformation“ war das anstehende Jubiläum, die Ökumene und Martin Luther ein stark diskutiertes Thema. Die Theologin Margot Käßmann wünschte sich für das Reformationsjubiläum 2017 einen „klaren ökumenischen Akzent“. Der 500. Jahrestag des Beginns der Reformation könne nicht in Abgrenzung zu anderen Konfessionen gefeiert werden, sagte die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017. „Wir haben gelernt, dass uns mehr verbindet als uns trennt“, so Käßmann. 

Die katholische Theologin Dorothea Sattler teilte diese Ansicht und hob die Bedeutung Luthers für die Katholiken hervor. „Katholiken können Luther feiern, denn seine Theologie hat die katholische Kirche bereichert“, sagte die Direktorin des Ökumenischen Instituts der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster. Sie betonte, dass an vielen Orten Katholiken bereit seien, sich vorbehaltlos dem Lebenswerk Luthers anzunähern. Es mache keinen Sinn, Martin Luther die Äußerungen vorzuhalten, „die auch der römisch-katholischen Tradition nicht fremd sind: der Antisemitismus, die mangelnde Sensibilität für soziale Konflikte, rigorose Standpunkte einfach aus Prinzip.“ 

Der Berliner Historiker Heinz Schilling hingegen warnte davor, beim Reformationsjubiläum die dunklen Seiten Martin Luthers auszublenden. Der Reformator habe den „Charakter eines Raufboldes“ gehabt, sagte Schilling in Stuttgart. Die Protestanten müssten akzeptieren, dass diese dunklen Seiten des Reformators die notwendigen Voraussetzungen für die Reformation gewesen seien.

Kirchentag als angewandte Reformation

„Kirchentag ist angewandte Reformation“, lautet die selbstbewusste Formel, welche die Theologin Christina Aus der Au ausgab. Auf Kirchentagen begegneten sich Menschen auf Augenhöhe, „egal ob Bischöfin, Bäckermeister oder Außenminister“. Die Schweizerin wird als Präsidentin den Kirchentag in Berlin und Wittenberg leiten, der vom 24. bis 28. Mai 2017 einer der Höhepunkte des 500. Reformationsjubiläums sein wird. Ihrem Wunsch nach sollten 2017 in internationaler, interkonfessioneller und interreligiöser Vielfalt Menschen zusammenkommen, die ihre christlichen Überzeugungen in Kirche, Gesellschaft und Politik einbringen. 

Der Grundstein dafür wurde bereits am Samstagmittag (6. Juni) auf dem „Forum Reformation“ gelegt. Vertreter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Stadt Stuttgart übergaben den hölzernen Kirchentags-Staffelstab an ihre Kollegen in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt.